ARD-Hörspieldatenbank
Ars acustica
Glenn Gould, das kanadische Radio und die Idee vom Norden
übersetzt aus dem Amerikanischen
Übersetzung: Heribert Becker
Technische Realisierung: Benedikt Bitzenhofer, Margarita Schwenk-Osterloh
Regieassistenz: Hans Georg Andres
Regie: Klaus Schöning
Die Sendung "The Idea of North" von Glenn Gould ist eine europäische Uraufführung. Weltweit bekannt ist Glenn Gould als genialer Pianist, der das Konzertpublikum überall mit der unübertrefflichen Virtuosität seines Spiels und mit der außergewöhnlichen Sensibilität, Tiefe und nuancenreichen Vielschichtigkeit seiner Interpretationen beeindruckt hat. Wir kennen Goulds Entschluß, 1964 das Konzertpodium zu verlassen, weil, wie er sich äußerte, ein Live-Auftritt vor Publikum seine Interpretation von Musik zwangsläufig verzerre und entstelle. Wir wissen, daß er sich dann der Arbeit im Studio in Toronto zuwandte, um die große Flexibilität der elektronischen Medien für sein Klavierspiel zu nutzen, um seiner Idealvorstellung des musikalischen Kunstwerks näher zu kommen. Gould erweiterte seine künstlerische Tätigkeit im Studio immer mehr; zwischen 1967 und 1979 schuf er seine sieben "kontrapunktischen Dokumentarwerke". Diese bestehen aus drei "philosophischen" Arbeiten - der "Trilogie der Einsamkeit" (Solitude Trilogy) mit "Die Idee des Nordens" (The Idea of North) über das kanadische Polargebiet, "Die Verspäteten" (The Latecomers) über Neufundland und "Die Stillen im Land" (The Quiet in the Land) über die Mennoniten in Manitoba - sowie aus vier Arbeiten über Persönlichkeiten der Musikwelt: Leopold Stokowsky, Pablo Casals, Arnold Schoenberg und Richard Strauß. "Die Idee des Nordens", der erste Teil der "Trilogie der Einsamkeit" wurde von CBC 1967 gesendet. Die Themen in "The Idea of North" sind zentral auf die allgemeine Thematik der Trilogie bezogen: die menschliche Isolation in der modernen Gesellschaft und die Suche nach neuer Bestätigung der existentiellen Werte. Das Werk wird heute auch als frühes und Maßstäbe setzendes Beispiel für das Neue Hörspiel und die Ars acustica betrachtet. Man kann sagen, daß Goulds wichtigste Dokumentarwerke, strukturiert in der musikalischen Form einer Fuge, seine bedeutendsten Leistungen sind, die Verwirklichung seines Wunsches aus der Welt der reproduzierenden Kunst in die der "gestalteten" vorzudringen. Das Werk, mit dem Glenn Gould diese neue Form initiiert und sein schöpferisches Abenteuer begonnen hat, ist: "The Idea of North." (Howard Fink)