ARD-Hörspieldatenbank


Ars acustica



Schuldt

Schallgeschwister (Am Quell der Donau)


Technische Realisierung: Günter Heß, Angelika Haller

Regieassistenz: Holger Buck


Realisation: Schuldt

"Angenommen, der Klang ist die Seele der Sprache und die Bedeutungen der Wörter sind ihr Körper. Dann wechseln die Akteure hier, dieser kleine und mutige Trupp von Maulhelden und Ohrenträumern, unablässig hin und her: Seele schlägt in Körper um; aus Körper wird Seele; dreht sich um und ist schon fremder Körper geworden. Sie sprechen einzeln, zusammen, als Chor, gegeneinander. Eine Stimme, noch ein paar Stimmen, sie sagen dasselbe, reden wie ein Wir. Sagen sie dasselbe? Sagen sie nicht gerade dieselbe Seele, die unversehens mehrere, vollständig verschiedene Körper angenommen hat? Sagen bisweilen eine Klangstrecke (Sätze, einen Text), die als verschiedene Sätze zu uns redet, ja sogar englisch und deutsch zugleich ausspricht. Wenn das Chor-Wir wieder zu Einzelstimmen gefaltet wird, ist es sich fremd, spricht eine andere Sprache. Haargenau wird sie in die Sprache des früheren Ichs zurückübersetzt. Wir hören Gestaltumschlüpfer, Ander-Ich und Wider-Wir. Der Ursprung der Sprachen liegt in der Auseinandersetzung von Klang und Sinn: Streit, Karikatur, Trennung, Versteckspiel, Hohn, Harmonie - jenes siamesische Ineinander von Klang und Sinn, das sie immer wieder abzustreiten versuchen, während wir törichten Hörer es oft als tautologische Gewißheit heimtragen möchten. Friedrich Hölderlins Gedicht 'Am Quell der Donau' bildet mit einer klanggleichen englischen Wortfolge von Robert Kelly und drei Sprachwandlungen von mir die Textvorlage. Die Grundsituation dieses Hörspiels ist es, daß, was Einer in der einen Sprache sagt, ein Anderer in einer andern, der zweiten Sprache hört. Er hört also etwas ganz Anderes, als gesprochen worden ist. Man kann nicht einmal sagen, ob er den verkehrten Text gehört hat. Aber jedenfalls hat er die verkehrte Sprache gehört. Sie ist aber die einzige Sprache, die er kennt oder bemerkt. In dieser Sprache macht er sich nun aus dem Gehörten einen Text zurecht - er kann ja auch gar nicht anders. Er muß sich diesen Text vollständig erfinden, in seiner Sprache, aus seinem Sinn. Er spricht. Er spricht sich den Text, den er da gehört hat, und der ihm ewig unbekannt bleiben wird. Wir hören ihn sprechen. Wir hören nicht, was er hört, denn es ist ein Hörspiel: wir können nur hören, was jemand sagt; wir können nicht hören, was er hört. Allerdings, was er hört, wird ebenfalls gesprochen; und weil es gesprochen wird und wenn es gesprochen wird, hören wir es; hören, was er hört" (Schuldt).

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Mitwirkende

Sprecher/Sprecherin
Jürgen Arndt
Donald Arthur
Ilknur Bahadir
Christian Baus
Carina Braunschmidt
Timo Dierkes
Robert Dölle
Arthur Galiandin
Ruth Geiersberger
Anatolij Gnatjuk
David Greiner
Hans Horst Henschen
Robert Kelly
Jörn Knebel
Anatol Kobylinski
Felicity Lamb
Tatjana Lukina
Karl Neuwirth
Susan Polzer
Tara Polzer
Tamara Ralif
Schuldt
Bettina Voepel
Mark Welte
Lars Weström
Florian Geyer
Manuel Giulani
Daniel Monninger
Katrin Pechlof
Sebastian Petry
Julia Pott
Michael Purreiter
Clemens Schefels
Ulla Vaasen
Roland Werner
Anja Zimmermann


 


Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 1996

Erstsendung: 27.09.1996 | 55'05


VERÖFFENTLICHUNGEN

  • CD-Edition: Steidl Verlag 1998

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