ARD-Hörspieldatenbank

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Ars acustica


soundpARTy


Walter Ruttmann Weekend Remix I


- Makeshift Whitebox Remix - Sympathie für Schulze Remix - Gedanken Form Remix


Komposition: Walter Ruttmann, Mick Harris, Ernst Horn, DJ Spooky

Technische Realisierung: Ernst Horn, Paul D. Miller, Mick Harris


Realisation: Walter Ruttmann, Ernst Horn, Paul D. Miller, Mick Harris

'soundpARTy' ist der Titel einer Sendereihe, die das Genre Hörspiel mit den aktuellen Möglichkeiten und Methoden von Mix und Remix konfrontiert. Der Remix, eine popmusikalische Erfindung, bestimmte Titel tanzbarer zu machen, ist inzwischen ein eigenständiger produktionsästhetischer Zugriff, der nun seine Materialien auch aus Hörspielen bezieht und möglicherweise das Genre selbst zum Tanzen bringen kann. Die Sendereihe startet mit 'Walter Ruttmann Weekend Remix' und erprobt die Remix-Spielarten an einem Hörspiel-Klassiker. Das Hörspiel 'Weekend' entstand drei Jahre nach Ruttmanns berühmtem Film 'Berlin- Symphonie einer Großstadt'. Die Rundfunkanstalten suchten nach einer Möglichkeit, ihr Programm aufzuzeichnen, um durch Wiederholungen Kosten zu sparen und wichtige Produktionen zu archivieren. Dabei verfiel man auf den Tonfilm, genauer auf das Tri-Ergon-Tonfilmverfahren. Ab 1928 wurden erste Versuche unternommen, Hörspiele auf der Tonspur von Filmen zu speichern. Walter Ruttmann jedoch war der erste, der die Möglichkeit dieses Mediums erkannte: er nutzte es, um Aufnahmen im Außenraum - und nicht bloß im Studio - zu machen. Mit Weekend hat Walter Ruttmann den Vorläufer eines ganzen Genres geschaffen, alle Original-Ton-Collagen oder soundscapes nehmen von hier ihren Ausgang. Allerdings galt 'Weekend' lange als verschollen. Erst 1978 gelang es Dieter Hasselblatt und Hansjörg Schmitthenner, das Stück in den USA wiederzufinden. Zwanzig Jahre später wird dieses Fundstück an den Mischpulten des Bayerischen Rundfunks einem akustischen Härtetest unterzogen. "Arbeit am photographischen Hörspiel. Walter Ruttmann schneidet draußen im alten Massolle-Atelier von Tri-Ergon in Mariendorf sein Hörspiel auf dem Filmstreifen 'Weekend'. Statt des Optischen nur Aufnahme des Akustischen. In Montage, Wiedergabe von Geräuschen, die das Wochenende einleiten, die dann über die einzelnen Phasen - 'dem Jazz der Arbeit', 'Feierabend', 'Fahrt ins Freie', 'Pastorale', 'Wiederbeginn der Arbeit', 'Jazz der Arbeit' - zum Wochenanfang hinüberführen. Ruttmann hat dieses Hörspiel in drei Tagen der vergangenen Woche aufgenommen. Er hat im Atelier, auf dem Hof des Ateliers gearbeitet. Mit Dilettanten anstelle von Schauspielern; mit Menschen, die er zufällig von der Arbeit herholen ließ, hat er ein paar Worte, Redewendungen, Sprachfetzen, Lieder, Spiele aufgenommen. 'Denn für die natürliche Lautwiedergabe kann ich nur natürliches Material gebrauchen', erklärt Ruttmann. Zu Außenaufnahmen ist er in Berlin herumgewandert mitsamt einem fahrbaren Aufnahmewagen und seinem Mikrophon. Auf Hochbahntreppen, bei der Eisenbahn, in Fabriken hat er Geräusche, die er brauchte, aufgenommen. Und jetzt beginnt für ihn die Hauptarbeit: das Schneiden, die Montage" (Lotte H. Eisner). Die Remix-Versionen von Ernst Horn, DJ Spooky und Mick Harris haben eine akustische Neubewertung des Hörspielklassikers vorgenommen. Drei Variationen eines Themas sind entstanden, die die Flexibilität und Individualität des Remix-Prinzips erkennen lassen, ebenso wie die verschiedenen Sicht- und Hörweisen der beteiligten Musiker und DJs.

Walter Ruttmann (1887-1941) geht nach einem abgebrochenen Architekturstudium an die Münchner Akademie, wo er Freundschaften mit Klee und Feininger schließt. 1921 entsteht sein erster Film 'Lichtspiel Opus 1'. Von 1922 an dreht er Reklamefilme, für Fritz Lang und Lotte Reiniger erstellt er Tricksequenzen. 'Berlin - Symphonie einer Großstadt' entsteht 1926/27. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten dreht er Propagandafilme wie 'Altgermanische Bauernkultur' (1933), 'Deutsche Waffenschmieden' und 'Deutsche Panzer' (beide 1940).

Mick Harris war Schlagzeuger der Deathmetal-Band 'Napalm Death' und bei John Zorns Hardcore-Projekt 'Painkiller'. In den letzten Jahren hat er in Zusammenarbeit mit verschiedenen DJs und Elektronik-Spezialisten zahlreiche Aufnahmen veröffentlicht.

Ernst Horn ist klassisch ausgebildeter Pianist, Perkussionist und Dirigent und mit den Gruppen 'Deine Lakaien' und 'Qntal', deren Platten in seinem Heimstudio eingespielt werden, erfolgreicher Popmusiker. Er hat bereits einige Hörspielmusiken realisiert, zuletzt einen Remix der 'Basalen Sprech-Operationsräume' von Carlfriedrich Claus.

Paul D. Miller alias DJ Spooky alias That Subliminal Kid ist Essayist, bildender Künstler und als Musiker der prominenteste Vertreter der New Yorker 'Illbient'-Szene. Er hat neben zahlreichen eigenen Veröffentlichungen (u.a. 'Songs Of A Dead Dream', 'Viral Sonata') auch eine Komposition von Iannis Xenakis produziert und ist Autor des Buches 'Flow my blood the DJ said'.

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Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 1998

Erstsendung: 16.01.1998 | 47'11


VERÖFFENTLICHUNGEN

  • CD-Edition: Hörsturz 2000


AUSZEICHNUNGEN


REZENSIONEN

  • Jan Scheper: Vom Erlkönig zu Blut und Boden. In: die tageszeitung 21.09.2012. S. 17 (bezieht sich auf die Wiederholung).

Darstellung: