ARD-Hörspieldatenbank

Originalhörspiel



Herbert Kapfer

Abrechnungen in Mexico City - Franz Pfemfert im Exil


Technische Realisierung: Peter Urban, Gerda Koch

Regieassistenz: Holger Buck


Regie: Herbert Kapfer

Mexico City zu Beginn der fünfziger Jahre - der letzte Fluchtpunkt des Publizisten Franz Pfemfert (1871-1954), dessen Emigrationsweg 1933 von Berlin über Karlsbad, Paris, Lissabon und New York führte. Der ehemalige Herausgeber des berühmten Wochenblatts 'Die Aktion' lebt gemeinsam mit seiner Frau, der Trotzki-Übersetzerin Alexandra Ramm, in einer Stadt, die ihm fremd ist, in einem Land, dessen Sprache er nicht spricht. Pfemfert plant eine Autobiografie, der er den Titel 'Erinnerungen und Abrechnungen' geben will. 'Die Aktion' war einmal - in den Jahren 1911 bis 1918 - die wichtigste Zeitschrift des literarischen und künstlerischen Expressionismus in Deutschland. Pfemfert selbst war für seine Unerbittlichkeit berühmt und berüchtigt. 'Die Aktion' war die einzige Zeitschrift, die über den Ersten Weltkrieg hinweg einen konsequenten antimilitaristischen Kurs verfolgte. Danach, bis 1932, verschrieb sich 'Die Aktion' dem revolutionären Kampf. Pfemfert isolierte sich politisch. Die Zeitschrift verlor fast alle ihre Mitarbeiter. Nach dem Reichstagsbrand floh Pfemfert von Berlin über Prag nach Karlsbad, einen ch Tag nach seiner Flucht wurde die Wohnung von der SA besetzt, Pfemferts Verlag aufgelöst, sein umfangreiches Archiv vernichtet. Die Pfemferts sehen sich einer doppelten Verfolgung ausgesetzt - durch die Nazis und durch die GPU, die in diesen Jahren "trotzkistische Elemente" eliminiert. In Mexico City betreibt Franz Pfemfert mit seiner Frau ein Foto-Atelier. Er fotografiert indianische Hochzeitspaare und kann sich mit diesen Fotoarbeiten mühselig über Wasser halten. Im "Land des ewigen Frühlings" leben die Pfemferts ohne Freunde. Die einzige Kontaktperson ist Natalie Trotzki, die Witwe des 1940 ermordeten Revolutionärs Leo Trotzki. Der einzige mexikanische "Gefährte" der Pfemferts ist der Kater Katju. Der Verlust dieses "Gefährten" löst ein inneres Psychodrama aus, in dem die äußere Bedrohungs- und Verfolgungssituation in einem Zerrspiegel erscheint: Pfemfert bringt den Tod des Katers mit der Ermordung Trotzkis in Verbindung: Katju - so berichtet er 1953 in einem Brief an den Autor Karl Otten - sei von einem Tierarzt "ermordet" worden. Seine eigenen autobiografischen "Abrechnungen" will er nun nicht mehr schreiben, stattdessen die des "ermordeten Gefährten" Katju. Dazu kommt es nicht mehr. Pfemfert stirbt ein Jahr später, 1954, an Krebs. Die Sendung basiert auf unveröffentlichten Briefen Pfemferts, die aus zahlreichen öffentlichen und privaten Archiven zusammengetragen wurden. Sie zeichnet Pfemferts Fluchtweg nach und dokumentiert ein Leben im Exil. Den Anstoß zu der Recherche über Pfemferts Leben im Exil gab Ellen Otten, die Witwe des Schriftstellers Karl Otten. Bei einem Gespräch über "Spätfolgen" des Exils erinnerte sich Ellen Otten der Briefe Pfemferts, die sie über vierzig Jahre aus Gründen der Diskretion unter Verschluß gehalten hatte; nun entschied sie sich, die Briefe für eine Veröffentlichung freizugeben, um die Dokumentation eines außerordentlichen Emigrantenschicksals zu ermöglichen.

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Mitwirkende

Sprecher/Sprecherin
Helmut Stange
Sabine Kastius
Detlef Kügow


 

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 1999

Erstsendung: 13.05.1999 | 69'14

Darstellung: