ARD-Hörspieldatenbank

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Feature



Martin Zeyn

Einmal Schneiden, Samplen, Loopen

Eine kurze Geschichte der Apparate im Hörspiel


Technische Realisierung: Wilfried Hauer, Daniela Röder


Regie: Ulrich Bassenge

Unter der Schwelle zu so mancher Hörspiel-Revolution tickte oder piepte es, lagen Zahnräder, Schaltkreise oder Chips. Anhand von Produktionen aus 70 Jahren soll der unterschätzte Einfluss der Apparatur auf die Ästhetik des Hörspiels dargelegt sowie die klanglichen, methodischen und spielerischen Neuerungen hörbar gemacht werden. So benutzte zum Beispiel 1930 Walter Ruttmann ein frühes Tonfilmverfahren, um sein Hörspiel "Weekend" aus dokumentarischen sowie gestellten Aufnahmen zu komponieren: eine Originaltonproduktion, die wie musique concrète klingt. 1998 machten sich dann Musiker im Auftrag des Bayerischen Rundfunks daran, den Klassiker mit digitalen Methoden zu bearbeiten: "Walter Ruttmann Weekend Remix" hieß diese Form einer akustischen Archäologie. Neben dem bekannten Experimentalfilmer Ruttmann sind noch viele Vorläufer der Apparat-Avantgarde zu entdecken: In den 60er Jahren entlockte etwa Paul Pörtner in den neuen elektronischen Studios der menschlichen Stimme für seine "Schallspielstudien" mit Hilfe von Vocoder, Ringmodulator und Filtern nie gehörte Töne. Steht uns im Zuge der Begeisterung der Elektro-Musiker für antiquiertes Klangmaterial eine Wiederentdeckung bevor? Die neue Technik hat nicht nur nie gehörte Klänge hervorgebracht, sie ermöglichte oder erleichterte auch neue Erzählweisen. Exemplarisch wird dafür "Radio Inferno" von Andreas Ammer und FM Einheit analysiert, das alle Möglichkeiten des Zitierens virtuos vorführt. Was die Mönche mit dem Palimpsest vorgemacht haben - das Benutzen eines Blattes, dessen alte Schriftzüge zwar abgekratzt wurden, aber im Licht sichtbar blieben -, setzt Ammer auf seine Art fort: er überschreibt das akustische Material. Das Werkzeug ist ein Spielzeug ist ein Werkzeug ist ein "Hör!Spiel!" - das alles und noch viel mehr.

Martin Zeyn, geboren 1964, arbeitet seit 1994 für den Bayerischen Rundfunk. Für die Abteilung Hörspiel und Medienkunst schrieb er fünf Sendungen zur Geschichte des Hörspiels im BR, das Gregory-Whitehead-Porträt "Radiozombies und Ruinenlust" und richtete "Das Radio der Zukunft" von Velimir Chlebnikov für den Rundfunk ein.

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Mitwirkende

Sprecher/Sprecherin
Katja Amberger
Andreas Neumann
Martin Zeyn


 


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Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 2000

Erstsendung: 15.09.2000 | 59'40


REZENSIONEN

  • Klaus Ungerer: In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 13.09.2000. S. 61.
  • Andreas Matzdorf: In. Funk-Korrespondenz. 48. Jahrgang. Nr. 38. 22.09.2000. S. 23.

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