ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Hans-Jürgen Fröhlich, Uwe Herms
Siebenerlei Fleisch
Experiment in Stereophonie
Regie: Raoul Wolfgang Schnell
Das stereophone Hörspiel "Siebenerlei Fleisch" ist eine Gemeinschaftsarbeit der beiden Autoren Hans-Jürgen Fröhlich und Uwe Herms. Uwe Herms schrieb über diese Zusammenarbeit: "Kein Wort, kein Name, kein Satz, kein Motiv, nichts, das nicht durch die feine Mandelmühle unserer dialektischen Arbeitsdialoge gegangen und ganz anders herausgekommen wäre als es hineingeraten war. Ziel war es, einen stereophonen Text zu schreiben, der nicht mehr ebenso sinnvoll monophon inszeniert werden könnte, der frei ist von Pingpongeffekten, der als Partitur dem Regisseur Widerstand und Inspiration bietet, um Studiotechnik und Phantasie voll auszubeuten und der auch als Buchtext sich nicht zu genieren brauchte. Von einer Fabel allerdings kann kaum die Rede sein, eher von einer kontrapunktisch sich entwickelnden Geschichte zweier einander gegenübergestellter Stimmen, einer patriarchalischen und einer jugendlichen, die dasselbe in verschiedener Gestalt bezeichnen. In diese stereo-poetische Konstruktion sind mitmenschliche Stimmen komponiert, die in ihren zugleich stilisierten und individualisierten Sätzen viel schlimme Allerweltsanschauung zu Gehör bringen. Und von ihr weiß man, wohin sie führt. Denn das sehr differenziert aufgefasste Thema von 'Siebenerlei Fleisch' ist Verhalten und Entwicklung, ist die Faschisierung einer Gruppe von Familien samt Kindern in einer Ausnahmesituation. Wir haben dafür einen üppigen Kanon von ironisch-pathetischen Sprechchören, von stereophonen Montagen und nur durch Stereophonie möglichen Stimm- und Geräusch-Bezügen entwickelt und angewandt. Das Engagement der Autoren bedient sich der poetischen Energien von Sprache und Hörspieltechnik."
Uwe Herms (geboren 1937) lebt seit 1945 in Hamburg. Studium Philosophie, Kunstgeschichte, Germanistik. 1962/63 Aufenthalt in den Vereinigten Staaten. Veröffentlichung von Lyrik, Prosa, Kritik in Anthologie, Zeitschrift, Rundfunk; Herausgeber der Anthologie "Druck- Sachen. Junge deutsche Autoren." "33mal Prosa und einmal Pantomime." (Christian Wegner Verlag, Hamburg 1965). Arbeitet an einem romanähnlichen Prosaprojekt und an der Komplettierung eines Lyrik- Bandes. Bereitet zusammen mit Hans J. Fröhlich ein neues Stereohörspiel vor, außerdem ein dokumentarisch-analytisches Bühnenwerk über bundesrepublikanische Ereignisse der Jahre 1967 und 1968.
Hans J. Fröhlich, geboren 1932, studierte zunächst Komposition an der
Detmolder Hochschule für Musik. Bis 1956 entstanden Kammermusikwerke,
Klavierstücke und Fragmente einer Oper in serieller Technik nach
eigenem Libretto. Anschließend arbeitete er im Buchhandel und war dann
Lektor eines angesehenen literarischen Verlags in Hamburg. Seit 1963
lebt er als freier Schriftsteller abwechselnd in Hamburg und Wien.
Neben zahlreichen Aufsätzen und Essays vor allem über die Literatur
des Expressionismus, veröffentlichte Fröhlich Erzählungen und Prosa-
Texte in Anthologien, Zeitschriften und Zeitungen. Im Münchner Verlag
Rütten & Loening gab er die Gesammelten Schriften Maximilian Hardens
heraus.
In dem Hörspiel "Engführung" (1964) übertrug er die musikalische
Kompositionstechnik auf Sprechstimmen, die ihr Thema nicht zu Ende
führen, sondern einander "eng-geführt" gleichsam überdecken. 1965
sendete der WDR das Hörspiel "Weltniveau", eine Satire auf Parkinsons
Gesetz. Der literarische Durchbruch gelang ihm mit der
Veröffentlichung des Romans "Tandelkeller" im Frankfurter INSELVERLAG,
1967. Heinrich Vormweg schrieb im "Monat" über dieses Buch:
"Tandelkeller" ist ein Roman, der Erfahrenes authentisch mitteilt,
weil die Zugänge zum Erfahrenen in die Form des Romans einbezogen
sind. Fröhlichs Sprache ist von einer wahrhaftig erstaunlichen
Beweglichkeit. Sie zeigt die Fähigkeit, sinnlich Erfahrenes kompakt
und gleichsam naiv zu artikulieren und ebenso die Fähigkeit,
Denkvorgänge und Zustände des Gefühls mitzuteilen. Hier nicht zuletzt
erweist sich der Roman "Tandelkeller" als ein Buch, das zeigt und
gleichzeitig zur Diskussion stellt, was dem Roman derzeit möglich
ist". Für diesen Roman erhielt Fröhlich das Stipendium des Lessing-
Preises der Hansestadt Hamburg.
In dem Hörspiel "Siebenerlei Fleisch" wird versucht, die sprachlichen
Erfahrungen aus der Welt der Eingeschlossenen stereophonisch
anzuwenden und neue Möglichkeiten der Stereophonie zu erkunden.