ARD-Hörspieldatenbank
Lesung
Vorher/Nachher
Mitschnitt der Live-Übertragung der szenischen Erstlesung aus dem TAT im Bockenheimer Depot Frankfurt/M. vom 3.10.2001
Komposition: Thomas Kürstner, Sebastian Vogel
Dramaturgie: Manfred Hess
Regieassistenz: Christoph Müller
Regie: Roland Schimmelpfennig, Manfred Hess
Auf Initiative der BHF-Bank-Stiftung fand vom 30. September bis 7. Oktober 2001 das interdisziplinäre Kulturprojekt "Frankfurter Positionen 2001" statt: Bildenden Künstlern, Theaterautoren sowie Komponisten bot sich hier ein Forum, neue Werke und Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln. Unterstützt wurde dieses Projekt von drei Frankfurter Theaterverlagen, dem Verlag der Autoren, dem S. Fischer Verlag und dem Suhrkamp Verlag. Die Koproduktionspartner sind die Städelschule/Portikus, das Schauspiel Frankfurt, das TAT im Bockenheimer Depot und nicht zuletzt die Kulturwelle hr2. So vernetzen die "Frankfurter Positionen 2001" nicht nur die Künste miteinander, sondern auch private wie öffentliche Kulturträger und -institutionen. Das hr2-Hörspiel hat drei Autoren/Projekte ausgewählt, um das Radio live mit dem Theater und der Musikperfomance zu verknüpfen. Zugleich aber soll - durch die Initiative der "Frankfurter Positionen 2001" ermöglicht - programmatisch das Risiko eingegangen werden, die strukturelle Langsamkeit in einer Redaktion von Textannahme und wesentlich späterer Studioproduktion zu unterlaufen. D as Ziel: Eine Zeitnähe zum Autor, die auch das möglicherweise noch nicht ganz Vollendete miteinbezieht. Die Texte wurden in der Regel erst kurz zuvor abgeschlossen. - Der Versuch eines anderen Stückemarktes im Radio, in dem die technische Studio-Perfektion nicht dominiert. - Der Versuch, eine Möglichkeit des Radios wiederzugewinnen: in der Kunstproduktion wieder "aktuell" zu sein. "VORHER/NACHHER wirft Schlaglichter auf Menschen auf der Durchreise, denen der Hörer immer wieder begegnet in verschiedenen Etappen des Lebens. Es sind Momentaufnahmen, fast wie Fotos, wie Bilder, die sich dann zu einem Gesamtbild zusammensetzen und ein bestimmtes Klima ergeben. Möglicherweise das Klima der Umstände, in denen wir gerade leben. Aber man wird in dem Stück nicht unmittelbare Reflexion über Politik finden, obgleich es auch Politik reflektiert. Alle Szenen spielen in einem Hotel, wobei es offen bleibt, ob es sich immer um dasselbe Hotel oder dasselbe Zimmer handelt. Wir treffen Reisende in Momentaufnahmen: Eine Frau, kurz bevor sie ihren Mann betrügt, aber auch kurz danach und einige Monate später. Zwei betende Nonnen. Alte und junge Paare im scheinbaren Alltagsleben. Ein Geschäftsmann sieht einen Softporno. Aber es kommt auch zu surrealen Sequenzen: Jemand steht vor dem Bild der Badezimmertür und steigt hinein, die Geschichte eines bedrohlichen Organismus oder die einer stetig ihre Identität und Gestalt verändernden Frau ... - Es sind Momentaufnahmen zwischen Illusion und Desillusion, in realen wie imaginären Räumen." (Roland Schimmelpfennig) Theater und Radio, szenische Lesung und Hörspiel. Wo sind die Grenzen, wo die Übergänge, wo die Unterschiede, ist es das Gleiche in anderer Gestalt? In der Live-Übertragung der szenischen Erstlesung von Roland Schimmelpfennigs für die "Frankfurter Positionen 2001" geschriebenem neuem Stück "Vorher/Nachher", bei der die Nachrichten von hr2 und die Anmoderation ins Theater übertragen wurden, wird der Versuch unternommen, diese Fragen abzutasten. Die formal offene Struktur des Textes - Figurenbenennungen, Szenen, Regieanweisungen, Biografien, Prosa - können als Szenenbeschreibung dienen, sind aber auch als Rollentext angelegt. Die Textvorgabe ermöglicht verschiedene Strich- wie Spielfassungen und Verständnisebenen, je nach medialem Kontext. Der Theaterbesucher und der Radiohörer: Sie erlebten - jeweils live - ein anderes Stück.
Roland Schimmelpfennig, 1967 in Göttingen geboren, zählt mit seinen Hörspielen (z.B. "Krieg der Wellen", HR 2000) und Theaterstücken (z.B. "Die arabische Nacht", HR 2001) zu den erfolgreichsten und interessantesten zeitgenössischen deutschsprachigen Autoren.
