ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Alle meine Stimmen
übersetzt aus dem Tschechischen
Übersetzung: Heinrich Kunstmann
Komposition: Mardz Bedrich
Regie: Petr Adler
Mit diesem formal verschachtelten Hörspiel gewann der tschechische Autor den letztjährigen internen Wettbewerb von Radio Prag. Der Regisseur der tschechischen Produktion, Peter Adler, wurde auch für die Inszenierung der deutschen Erstsendung gewonnen. Der junge Mann, der der Held dieser Begebenheit sein möchte, gefällt sich in gleich mehreren Rollen. Er begehrt, ein vollkommener und vollkommen geliebter Liebhaber, ein Freund der Leidenden, ein Verteidiger der Beleidigten und ein Richter der Feiglinge zu sein. Dieses Begehren hat alle Merkmale einer romantischen Liebe: Sie ist leidenschaftlich, aufrichtig, rücksichtslos. Er will alles beherrschen und muss sich daher eine Welt schaffen, in der alle diese schönen Rollen auf einmal erreichbar sind. Wie schafft man eine solche Welt? Durch gründliche Vereinfachung der wirklichen Welt. Mehr Licht auf die eine Seite, mehr Finsternis auf die andere. Rebelliert dann jemand gegen den ihm zugewiesenen Platz, gegen den ihm zugewiesenen Charakter, muss er angeschrien und belehrt werden, so dass ihm keine andere Wahl bleibt. "Stört meine Spiele nicht", fordert der Held von seinen Partnern. "Ich hindere Euch zwar nicht daran, dass Ihr improvisiert, aber seid im Kern so, wie ich Euch haben will." Es ist die Welt der bequemen Phantasie. Sie grenzt an die wirkliche Welt, aber sie ist interessanter, abenteuerlicher, erfreulicher. Man kann sich in ihr mit mehr Hoffnung, mit größerer Selbstsicherheit und besseren Vorstellungen von sich selbst bewegen. Doch die Strafe kommt von einer anderen Seite. Aus einer weniger einfachen, weniger abenteuerlichen, weniger erhebenden Welt. Dass Nadja ihn verlässt, ist die erste Warnung, nur Frederik versteht sie nicht. Zum Schluss verlassen ihn zusammen mit dem wirklichen alten Mann auch die unwirklichen Stimmen. Frantisek kann nicht mehr Trost erwarten, als er selbst zu geben imstande war. Er muss erwachen und erkennen, dass ihm nichts geblieben ist. Wenn gleich diese Strafe bildlich ist, so gehört sie nicht mehr zu den Träumen und Illusionen. Es bleiben ein leeres Zimmer, leere Kleider, leere Platten. Verlassene, einsame Dinge. Wirkliche Dinge. Der Beerdigungsredner hatte Recht: Auch eine Tausendmeilenreise beginnt immer mit dem ersten Schritt.