ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Der Entführer
übersetzt aus dem Serbischen
Übersetzung: Milo Dor
Regie: Hans Rosenhauer
Vor nicht allzu langer Zeit gingen die Nachrichten über den "sanften Entführer" Raphael Keppel durch die Presse. Der Mann, der einen Jet beim Anflug auf Köln kaperte, landete direkt vor der Haustür der "Anti-Terror-Einheit GSG 9". Das konnte doch nur ein Verrückter sein. Doch in seinen Verhandlungen mit Minister Wischnewski äußerte der "Verrückte" eine Menge vernünftiger Ideen von einer menschlicheren Welt. Um sie der Öffentlichkeit vortragen zu können, riskierte der Vater von zwei Kindern fünf Jahre Gefängnis. Unabhängig von diesem aktuellen Ereignis hat der Satiriker Zoran Stanojevic einen ähnlich "sanften Entführer" in seinem Hörspiel eine Frau samt ihren beiden Kindern kapern lassen. Nicht gerade zufällig hat der Entführer sein Domizil im besten Hotel der Stadt aufgeschlagen: Hier gibt es einen hervorragenden Wein, das Essen ist exquisit, die Kinder sind begeistert, endlich mal in Farbe fernsehen zu können und ihr Lieblingseis zu erhalten. Für das leibliche und seelische Wohl der Familie und des Entführers ist bestens gesorgt; nicht einmal die strikte Überwachung der Weiterbildung der beiden Knaben wird vernachlässigt. Von dieser Situation könnte sogar der Kellner profitieren, der verständlicherweise ein Polizist ist: eine klare, überschaubare Aufgabe, keine lästigen Außendienste, bei denen man sich mit Betrunkenen und Randalierern rumschlagen muß. Ob er sich davon überzeugen läßt, wie sinnvoll es wäre, selbst einmal Entführer - und sei es als Entführer der eigenen Familie - zu werden, bleibt offen. Zumindest verläßt er die Hotel-Suite recht nachdenklich.