ARD-Hörspieldatenbank

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Originalhörspiel



Patrick Findeis

Hannelore oder so ein abgelichtetes Leben will verkraftet sein


Dramaturgie: Andrea Oetzmann

Technische Realisierung: Johanna Fegert, John Krol


Regie: Kai Grehn

Die letzten 15 Monate ihres Lebens verbrachte Hannelore Kohl vorwiegend allein in ihrem Bungalow, in Dunkelheit und Kälte, gefangen in den eigenen vier Wänden aufgrund einer angeblichen Lichtallergie. Sie beging am 5. Juli 2001 Suizid. 1933 in Berlin als Hannelore Renner geboren, endet ihre großbürgerliche Kindheit im Kriegswinter 1944/45. Gemeinsam mit der Mutter und dem Vater, der als einer der Direktoren des Rüstungskonzerns HASAG von der Roten Armee wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht wird, flieht sie in dessen Heimat in der Pfalz. Die Kriegswirren übersteht sie nur mit schweren Verletzungen an Seele und Leib. 1948 lernt die 15-jährige Schülerin den drei Jahre älteren Helmut Kohl kennen, 1960 heiratet sie ihn und vertritt fortan das klassische Frauenbild: Sie kündigt ihre Arbeit, bringt zwei Söhne zur Welt und kümmert sich, während er Politik macht, allein um Haushalt und Familie. Verbissen hält sie an ihrer Version der Familienidylle und der heilen Welt fest, auch später als Frau des Oppositionsführers und dann als Kanzlergattin. »Barbie von der Pfalz« und »die Doofe« sind nur zwei der Namen, mit denen sie in Bonn verspottet wird. Mehr als 30 Jahre steht Hannelore Kohl stets perfekt frisiert und eisern lächelnd für konservative Familienwerte. Sie macht ihre Söhne zu »anständigen« Männern, gründet und leitet ein Kuratorium zur Hilfe von Menschen, deren zentrales Nervensystem durch Verletzungen beschädigt worden ist. Die Wiedervereinigung und der damit einhergehende Abzug der sowjetischen Streitkräfte sind schließlich ihre größte Genugtuung und der damit einhergehende Abzug der sowjetischen Streitkräfte sind schließlich ihre größte Genugtuung während der politischen Karriere ihres Mannes. Die Wahlniederlage 1998 soll endlich den erhofften Rückzug aus der Öffentlichkeit einläuten. Doch die Rechnung hat sie ohne ihren Mann gemacht. Die Parteispendenaffäre und die Verdächtigungen, ihr Kuratorium ZNS sei darin verwickelt, geben ihr den Rest, das Haus in Oggersheim wird zu einer Chiffre für Einsamkeit. »So ein abgelichtetes Leben will verkraftet sein«, hat Hannelore Kohl einmal gesagt. Patrick Findeis nähert sich ihr in einem fiktiven Monolog. 

Patrick Findeis, geboren 1975 in Heidenheim an der Brenz, lebt als freier Autor in Berlin. Er studierte Komparatistik, Psychologie und Kommunikationsforschung an der Universitat Bonn und ist Absolvent des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. Fur seinen Debütroman »Kein schöner Land« erhielt Findeis 2008 den  3sat- Preis im Rahmen des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs, für den SWR schrieb er ihn als Hörspiel um. Zuletzt entstand für den SWR sein Hörspiel »Schneewalzer«.

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Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Dagmar ManzelHannelore


Dagmar Manzel spricht Hannelore (Kohl). | © SWR/Patricia Neligan

Dagmar Manzel spricht Hannelore (Kohl). | © SWR/Patricia Neligan


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Dagmar Manzel spricht Hannelore (Kohl).
© SWR/Patricia NeliganDagmar Manzel spricht Hannelore (Kohl).
© SWR/Patricia Neligan



PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Südwestrundfunk 2014

Erstsendung: 09.03.2014 | SWR2 | 77'07


REZENSIONEN

  • Esther Boldt: Ein Frauenleben. In: epd Medien. 14.03.2014. S. 31.
  • Christian Hörburger: Die Noblesse der Dagmar Manzel. In: Funk-Korrespondenz. 14.03.2014. S. 27.

 

 

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