ARD-Hörspieldatenbank

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Originalhörspiel, Monolog



Rolf Schneider

Ich, Gräfin Larisch oder Die Wahrheit über Mayerling



Regie: Rolf Schneider

Augsburg, Frühsommer 1940. In einem katholischen Altersstift, St. Servatius, erzählt eine über achtzigjährige Frau ihr Leben. Es ist ein aufregendes Leben. Sie hat drei Ehen hinter sich, nicht gerechnet ihre mehreren Liebschaften. Sie ist Mutter von fünf Kindern, die sie bis auf eines alle überlebt hat. Sie fühlt sich als erfolgreiche Schriftstellerin, wobei die bei weitem erfolgreichsten ihrer Bücher jene sind, die es nie bis zum Druck gebracht haben; ungefähr anderthalb Millionen Goldmark hat sie mit ihnen verdient, vor dem Ersten Weltkrieg. Sie bedenkt die Länder, in denen sie sich aufgehalten hat: Österreich, Ungarn, England, Frankreich, USA. Allein in den Staaten hat sie mehrere Jahre gelebt. Sie hat für den Film gearbeitet und für das Rote Kreuz. Sie war eine leidenschaftliche Reiterin, hat Pferde geliebt und Hunde gezüchtet. Sie spielt mehrere Instrumente. Sie kennt sich aus im Operngesang, ihre große Liebe gilt dem Werk von Richard Wagner. Sie hat Schlösser und prachtvolle Villen bewohnt, aber sie hat ebenso als Putzfrau gearbeitet. Sie ist die uneheliche Tochter eines Herzogs in Bayern, was sie freilich bestreitet - nicht der illegitimen Geburt wegen, zu der sie sich durchaus bekennt, vielmehr behauptet sie, ihre wahre Mutter sei die Königin von Neapel gewesen und ihr Vater ein Belgier. Wie auch immer: In jedem Falle ist ihre Tante die berühmte Kaiserin Elisabeth von Österreich, genannt Sisi. Mit der hatte sie als junges Mädchen zu tun, und der lastet sie an, dass ihr Leben zu großen Teilen verpfuscht war. Ihre Rache? Sie hat die Geschehnisse um Mayerling inszeniert. Sie hat als Kupplerin fungiert zwischen dem seelisch gefährdeten österreichischen Kronprinzen Rudolf und der minderjährigen Baronesse Mary Vetsera. Sie hat Rudolf zu dem spektakulären Doppelselbstmord geraten. So jedenfalls behauptet sie. Nebenher muss sie an ihre Tabletten denken. Marie Louise Gräfin Wallersee-Larisch (1858-1940), ist eine historische Person. Alle Mitteilungen, die sie als alte Frau macht, sind historisch oder sind historisch in ihrem Sinne. "Ich gebe zu, meine besten Jahre sind vorbei. Heute gibt es andere Dinge, von denen die Leute reden", sagt sie gleich zu Beginn. Es wird hohe Zeit, wieder von der Gräfin Larisch zu reden.

Rolf Schneider wurde am 17.04.1932 als Sohn eines Werkmeisters und einer Textilarbeiterin in Chemnitz geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Wernigerode. Von 1951 bis 1955 Studium der Philologie, Geschichtswissenschaften und Pädagogik an der Martin-Luther-Universität in Halle/Saale, Schüler unter anderem von Victor Klemperer. Danach arbeitete er als leitender Redakteur der kulturpolitischen Monatszeitschrift „Aufbau“ in Berlin und knüpfte erste Kontakte zu Verlagen und besonders zum DDRRundfunk. Seit 1958 freier Schriftsteller. Reisen nach Polen, Ungarn, später in westeuropäische Länder, vor allem Frankreich, darüber Reisebücher. 1976 gehörte er zu den Unterzeichnern der Protestresolution gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR. 1979 Ausschluss aus dem DDRSchriftstellerverband. Danach arbeitete Schneider neun Jahre lang als Autor und Dramaturg an mehreren westdeutschen Theatern. Rolf Schneider erhielt 1962 den „Lessing-Preis“ der DDR, 1967 den „Hörspielpreis der Kriegsblinden“ und 2004 das Bundesverdienstkreuz (1. Klasse). Über fünfzig Hörspiele, u.a. "Zwielicht" (BR 1966 /Hörspielpreis der Kriegsblinden). Zuletzt beim MDR: "Nach der Liebelei" (ORF/MDR 2006), "Feuer an bloßer Haut" (MDR 2007), "Die Affäre Ernst Winter" (MDR 2008) und "Die Affäre Winckelmann" (MDR 2009), „Besuch in Mechtshausen“ (2012).

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Mitwirkende

Sprecher/Sprecherin
Gisela May


 


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Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Rolf Schneider 2011

Erstsendung: 17.04.2017 | MDR KULTUR | 73'00

Darstellung: