ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel, Kurzhörspiel
Lutherland (10. Folge: Von Angesicht zu Angesicht)
Komposition: Michael Hinze
Technische Realisierung: Holger König, Christian Grund
Regieassistenz: Matthias Seymer
Regie: Stefan Kanis
„Incarnated Message Concept“ heißt das Zauberwort, mit dem die Agentur Merschwitz & Friends der Evangelischen Kirche Deutschlands die erhoffte Medien-Präsenz sichern will. Im Jubeljahr 2017 soll die Luther-Beauftragte der EKD bei ihren zahlreichen öffentlichen Auftritten den wuchtigen Reformator nicht bloß zitieren, sondern sich de facto an seiner Seite zeigen: „Das Wort wird Fleisch!“ Winfried Schaller, noch vor kurzem ein populärer Volksschauspieler, soll ihn verkörpern - da passt nicht nur Maske und Habitus, da fehlt es auch nicht an Querköpfigkeit, nicht einmal an Cholerik. Der allerdings hat sich sein Comeback keinesfalls als Talkshow-Maskottchen von Margot Käßmann vorgestellt. Je mehr er freilich die Luther- Schriften durchforstet, desto mehr kann er dem kirchen- und gesellschaftskritischen Donnerer abgewinnen. Bald macht es ihm Spaß, als Geist von Luthers Gnaden in die Gegenwart zu fahren und sie - wie seine Auftrittskonzepte - gehörig durcheinander zu wirbeln. Als Blogger DER LUTHER schart er Follower um sich, die „Kirchenland in Bauernhand“-Aktivisten finden in ihm einen prominenten Fürsprecher. Und bald fürchtet die EKD nichts so sehr, wie seinen Auftritt beim Festgottesdienst auf den Wittenberger Elbwiesen - völlig zu Recht, wie sich zeigt.
Folge 10: Abschlussgottesdienst des Kirchentages. Käßmann ist nervös, aber Merschwitz glaubt sich sicher, dass der reibungslose Ablauf der Veranstaltung gewährleistet ist und DER LUTHER nicht auftauchen wird. Doch seine Follower schmuggeln ihn mit einem einfachen Trick aufs Gelände: Mehrere Hundert Menschen in Lutherkostümen drängen auf die Elbwiesen in Wittenberg. Als Schaller-Luther die Bühne betritt, wird er von Begeisterungsrufen empfangen. Und er hat für die Thüringer Bauern – und für seine eigenes Seelenheil – eine Trumpfkarte im Ärmel. Das üppige Honorar, das ihm die EKD für seinen mehrmonatigen Aufritt zahlt, reicht gerade aus, um das Pachtangebot des holländischen Agrarmultis zu überbieten. Auf offener Bühne überreicht er Margot Käßmann seine Offerte. Bleibt den beiden nur noch, die Luther-Verse anzustimmen: „Und wenn die Welt voll Teuffel wär, es sollt uns doch gelingen …“
Lorenz Hoffmann, geboren 1974, ist in Salzwedel in der Altmark aufgewachsen, hat in Magdeburg Abitur gemacht, zwei Jahre in einem Kindergarten in Minsk (Belarus) gearbeitet und danach Germanistik und Ostslavistik in Leipzig studiert. Er ist Vater zweier Töchter. Seit Abschluss des Studiums arbeitet er als freier Autor für Rundfunksender und Hörbuchverlage. Zuletzt schrieb er die "acoustic novel" "Thälmannstraße 89" (MDR 2014), die Feature "Giftgas in der Ostsee" (MDR/rbb 2015) und „Ein Dorf gibt Asyl“ (MDR 2016).