ARD-Hörspieldatenbank

Hörspielbearbeitung



Christine Lavant

Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus


Vorlage: Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus (Prosa)

Bearbeitung (Wort): Peter Rosmanith

Komposition: Franz Hautzinger, Matthias Loibner, Peter Rosmanith

Technische Realisierung: Jupp Prenn


Regie: Peter Rosmanith

Sechs Wochen verbrachte Christine Lavant als Zwanzigjährige in der „Landeskrankenanstalt Klagenfurt“, nachdem sie einen Suizidversuch mit Medikamenten unternommen hatte. Elf Jahre später, im Herbst 1946, schrieb sie über ihre Erlebnisse mit Patientinnen, Pflegerinnen und Ärzten in der Institution Psychiatrie. Vor allem aber über ihre Selbstwahrnehmungen, die Zustände des eigenen Bewusstseins und Unterbewusstseins in dieser existenziellen Situation.

Sie verdichtet ihre Erlebnisse und Empfindungen „zu einem grotesk-realistischen Spielbild, in dem die Verhaltensweisen, die Hierarchien, die Machtstrukturen und Unterdrückungsmuster einer rigiden Klassengesellschaft sichtbar werden, die sich ‚draußen‘ und ‚drinnen‘ nach den gleichen Vorstellungen und Prinzipien organisiert. Die fiktive Tagebuchschreiberin hält die Einzelheiten des Kampfes um die vorteilhaftesten Positionen auf allen Ebenen mit schmerzhafter, sich selbst nicht schonenden Genauigkeit und einer unerbittlichen, vor innerer Rebellion bebenden Härte fest, deren Gradmesser Gerechtigkeitsempfinden und Mitgefühl sind“ (Klaus Amann).

Die Ich-Erzählerin vermag es allerdings, sich im System „Irrenhaus“ geschickt zu behaupten, sie wird als geheilt entlassen, könnte sich aber vorstellen zu bleiben, verrückt zu werden und es – durch Heirat – zu einer „Frau Primarius“ zu bringen. „Lavants Selbstironie und ihr Humor sind nicht zu unterschätzen“ (Klaus Amann).

Diese Produktion wurde von der Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Monats Oktober 2019 gewählt. Die Begründung der Jury:

Peter Rosmaniths Hörspielfassung von Christine Lavants „Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus“ (ORF 2019) besitzt die Intensität eines Kammerspiels in besonderem Maße: Es inszeniert die subjektiv verstörende Perspektive einer suizidgefährdeten Zwanzigjährigen auf den stationären Aufenthalt in der „Landesirrenanstalt Klagenfurt“ Mitte der 1930er Jahre. Zugleich dokumentiert bereits der poetisch-metaphorische Ausgangstext von Lavant die bedrückende Atmosphäre in einer der Psychiatrien, die später institutionell an der Vorbereitung der Euthanasie-Gräuel beteiligt waren. Konzentriert auf die Sicht der Insassin einer Kranken- und Heilanstalt erzählt dieses Hörspiel auch von deren manischer Verliebtheit, die durch das Abhängigkeitsverhältnis vom ärztlichen Therapeuten einen Missbrauch forciert. Diese komplexe Geschichte wird stimmlich geradezu hypnotisierend umgesetzt von der mehrfach ausgezeichneten Südtiroler Schauspielerin Gerti Drassl. Die nüchterne, hierarchisch organisierte Zwangsexistenz, explizit die Unterdrückungsmechanismen in einer psychiatrischen Verwahranstalt, werden durch die Kraft der Poesie im Kontrast zur scharfen Situationsanalyse artikuliert. Hin- und hergerissen zwischen Lavants Gefahr der Selbstauflösung und ihrem Versuch, sich aus dem Tunnel des inneren Schreckens zu befreien, hinterlässt das Hörspiel ein geradezu erschütterndes Stimmungsbild. Verstärkt wird dieses zum empathischen Hören einladende Setting durch die gegenseitige Durchdringung der Text- und Musik-Bereiche (Instant Composings / „Improvisationen aus dem Augenblick heraus“). Dadurch wird die Atmosphäre der Bedrohung, Demütigung und existentiellen Verunsicherung der Protagonistin beispielhaft inszeniert. Text und Musik (von Franz Hautzinger, Matthias Loibner und Peter Rosmanith) begegnen sich auf dieser Ebene völlig gleichberechtigt. (Pressetext des Österreichischen Rundfunks)

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Mitwirkende

Sprecher/Sprecherin
Gerti Drassl

Ensemble: Brot & Sterne

Musik: Franz Hautzinger (Trompete), Matthias Loibner (Drehleier), Peter Rosmanith (Percussion)

 

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Peter Rosmanith 2019 (Auftragsproduktion von: Österreichischer Rundfunk)

Erstsendung: 05.10.2019 | ORF 1 | 53'01
Deutsche Erstsendung: 04.01.2020 | Deutschlandfunk | 53'01


AUSZEICHNUNGEN


REZENSIONEN

  • N. N.: Bearbeitung eines Texts von Lavant ist Hörspiel des Monats. In: epd medien Nr. 46. 15.11.2019. S. 22.

Darstellung: