ARD-Hörspieldatenbank
Hörspielbearbeitung, Mundarthörspiel
Zum 250. Geburtstag von Friedrich Hölderlin
Hölderlin schüttelt mich
Friedrich Hölderlins Leben, Dichtung und Wahnsinn
Sprache des Hörspiels: schwäbisch
Vorlage: Leben, Dichtung und Wahnsinn (Porträt)
Bearbeitung (Wort): Uta-Maria Heim
Technische Realisierung: Burkhard Pitzer-Landeck, Thomas Rau, Claudia Peycke
Regieassistenz: Philippe Mainz
Regie: Nicole Paulsen
»Ich gab mir mehr als andere Mühe, seine Launen zu ertragen, und während die wenigen seiner vormaligen Freunde, die ihn in seiner nun mehr als zwanzigjährigen Einsamkeit besuchten, nur ein paar Augenblicke verweilen mochten, sei es, dass ihr Mitleid zu rege wurde, dass sie von der Erscheinung eines so beklagenswerten geistigen Zerfalls sich zu tief erschüttert fühlten, oder dass sie schnell damit fertig waren, indem sie vermeinten, man könne nun eben einmal kein vernünftiges Wort mehr mit ihm reden, und es verlohne sich der Mühe nicht, dem psychischen Zustand des Verwirrten einige Aufmerksamkeit zu schenken, so hielt ich keine Stunde für verloren, die ich ihm widmete, besuchte ihn ununterbrochen viele Jahre lang, sah ihn oft bei mir, nahm ihn auf einsame Spaziergänge, in Gärten und Weinberge mit mir, gab ihm zuweilen Papier zum Schreiben, durchsuchte seine noch übrigen Schriften, brachte ihm Bücher, ließ mir vorlesen, und bewegte ihn unzählige Mal, Klavier zu spielen und zu singen. So wurde ich nach und nach an ihn gewöhnt und legte das Grauen ab, das wir in der Nähe solcher unseligen Geister fühlen, so wie er seinerseits sich an mich gewöhnte, und die Scheu ablegte, die ihn von jedem, ihm nicht ganz bekannten Menschen trennt.« Wilhelm Waiblinger, »Friedrich Hölderlins Leben, Dichtung und Wahnsinn«
Wilhelm Waiblingers Porträt ist das bedeutendste Dokument über Friedrich Hölderlin in seiner zweiten Lebenshälfte. Dabei entsteht ein Zeitpanorama des schwäbischen Biedermeier, in dem sich die menschliche Dynamik zwischen dem alternden Dichter im Turm und dem antibürgerlichen Rebellen Waiblinger auf überraschende Weise frisch entdecken lässt. Wilhelm Waiblinger begegnete Hölderlin erstmals 1822. Seine dichterische Entwicklung hat diese Freundschaft entscheidend beeinflusst. Die Biografie »Friedrich Hölderlins Leben, Dichtung und Wahnsinn« verfasste er 1827/28, sie wurde 1831 publiziert.
Wilhelm Friedrich Waiblinger(1804 – 1830) geboren in Heilbronn, studierte Theologie im Tübinger Stift und wurde 1826 von der Universität ausgeschlossen. Er gilt als der »junge Wilde« der Biedermeierzeit. U. a. befreundet mit Gustav Schwab, August von Platen, Eduard Mörike und Friedrich Hölderlin. Er starb in Rom.