ARD-Hörspieldatenbank


Hörspielbearbeitung



Virginia Woolf

Jacobs Zimmer (2. Teil: Cambridge und das Cornwall)


Vorlage: Jacob’s Room (Roman, englisch)

Übersetzung: Gaby Hartel

Bearbeitung (Wort): Gaby Hartel

Komposition: Jakob Diehl

Redaktion: Katarina Agathos

Technische Realisierung: Marcus Huber, Susanne Herzig, Jean-Boris Szymczak

Regieassistenz: Stefanie Ramb, Jasmin Schäffler


Regie: Katja Langenbach

Eine Schriftstellerin um die Vierzig im Prozess, ihren scharfen Blick auf die Welt, deren Politik und innere Mechanik in erfahrungsnaher Literatur darzustellen. Eine untergehende Gesellschaftsform im England der (Vor-)Kriegszeit und ein junger Mann, der im Ersten Weltkrieg stirbt, noch bevor er seine Persönlichkeit voll entfalten konnte. Virginia Woolf, ihr Gegenstand und der Wunsch nach einem neuen, unmittelbaren Ausdruck: Das sind die äußeren Koordinaten des Romans Jacobs Zimmer, der 1922 erschien und ein wenig bekanntes Meisterwerk der Moderne ist. Aus der inneren Logik des Romans entsteht eine faszinierende literarische Erfahrung, eine multisensorische Folge von atmosphärischen Ausschnitten, kurzen Einblicken, vielstimmigen Einschätzungen, die lose chronologisch aneinandergereiht sind. Wir begegnen Jacob als Kleinkind am Strand, erhaschen Eindrücke aus seiner Schulzeit, seinem Studentenleben in Cambridge, sehen ihn durchs nächtliche London zu einer Geliebten gehen oder nach Griechenland reisen. Das Unerhörte daran: Jacob selbst spricht nie und genau das war Virginia Woolfs Schlag gegen die viktorianische Erzählkonvention, in der sie sozialisiert wurde, und deren autoritäre Vorgaben sie zeitlebens angriff. Ihre gelungene Romanerfindung arbeitet erstmals mit einer Art fotografischer Schnitttechnik und zeigt, dass Jacob durchaus da ist: heraufbeschworen, nicht aus der Aufzählung von charakterbestimmenden Fakten und gedrechselten Sätzen eines allwissenden Erzählers, sondern auf geisterhafte Weise in Facetten gespiegelt: in den Blicken, Gedanken- und Gesprächsfetzen seiner Umgebung. Es ist, als blättere man mit angehaltenem Atem durch das Fotoalbum eines Fremden. So stehen wir heutzutage im Leben, meinte Woolf, so erfahren wir die Welt: Wir gleiten durch eine Abfolge von symbolischen Räumen, durch sprechende Atmosphären, angerissene Szenen und Gesprächsfetzen, und wenn wir sie lesen lernen, verstehen wir vielleicht ein bisschen besser, wer wir sind. Virginia Woolf ist bekannt für ihre schonungslose Selbstkritik, doch mit Jacobs Zimmer, das die Reihe ihrer berühmten Romanexperimente einleitete, war sie durchaus zufrieden: "Ich habe keinen Zweifel mehr, dass ich (mit 40!) herausgefunden habe, wie ich die Dinge in meiner eigenen Stimme ausdrücken kann", notierte sie beim Erscheinen des Romans in ihr Tagebuch.

Virginia Woolf, geboren 1882 in London, war Autorin und Verlegerin. Bereits durch den Vater Sir Leslie Stephen, einem Biographen und Kritiker, der freundschaftliche Beziehungen zu fast allen großen Schriftstellern des viktorianischen England unterhält, hat sie früh Kontakt mit Literatur und dem Literaturbetrieb. Sie beginnt ihre Autorentätigkeit als Mitarbeiterin für die literarische Beilage der "Times", die sie bis zu ihrem Tode beibehielt. Immer wieder leidet sie an Depressionen. 1912 heiratet sie den Journalisten und politischen Schriftsteller Leonard Woolf. Im Haus am Fitzroy Square 29 in London entsteht die sogenannte "Bloomsbury-Gruppe", der bedeutende Schriftsteller wie Desmond Macarthy, Charles Tennyson, Clive Bell, Lytton Strachey, Raymond Mortimer, Hilton Young und John Maynard angehören. 1913 unternimmt sie ihren ersten Selbstmordversuch. 1915 erscheint ihr erster Roman "The Voyage Out (Die Fahrt hinaus)". 1917 gründet sie gemeinsam mit ihrem Mann den Verlag Hogarth Press mit der Spezialisierung auf moderne Literatur aus England, den USA und Russland. 1919 erwirbt sie das „Monk’s House“ in Rodmell (Sussex). Sie hält sich abwechselnd in London und Sussex auf. 1922 beginnt sie eine enge Beziehung zur Schriftstellerin Vita Sackville-West. Es folgen zahlreiche Veröffentlichungen von Erzählungen, Romanen und Essays. Ende der 1920er Jahre ist sie eine erfolgreiche und international anerkannte Schriftstellerin. 1939 wird "Monk’s House" ihr fester Wohnsitz. 1941 verfällt sie erneut in tiefe Depressionen. Aus Furcht vor neuen Nervenzusammenbrüchen ertränkt sie sich am 28. März 1941 in Rodmell. Zu ihren Werken zählen "The Voyage Out (Die Fahrt hinaus)" 1915, "The Mark on the Wall (Das Mal an der Wand)" 1917, "Kew Gardens (Im Botanischen Garten)", Erzählungen 1919, "Night and Day (Nacht und Tag)" 1919, "Monday or Tuesday (Montag oder Dienstag)" 1921, "Jacob’s Room (Jacobs Zimmer)" 1922, "Mrs. Dalloway (Mrs. Dalloway)" 1925, "The Common Reader 1 (Der gewöhnliche Leser 1)", Essays 1925, "To the Lighthouse (Zum Leuchtturm)" 1927, "Orlando (Orlando – eine Biographie)" 1928, "A Room of One’s Own (Ein eigenes Zimmer)" 1929, "The Waves" (Die Wellen) 1931, "The Common Reader 2 (Der gewöhnliche Leser 2)", Essays 1932, "Flush. A Biography (Flush – Die Geschichte eines berühmten Hundes)" 1933, "The Years (Die Jahre)" 1937, "Three Guineas (Drei Guineen)" 1938, "Roger Frey. A Biography" 1940, "Between the Acts (Zwischen den Akten)" postum veröffentlicht 1941.

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Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Friedhelm PtokErzähler
Britta HammelsteinErzählerin 1
Wiebke PulsErzählerin 2
Sylvana KrappatschKommentatorin
Johannes ZirnerJacob / junger Mann
Dominik KaschkeTimmy Durrant
Michaela SteigerMrs. Durrant
Julia LoiblClara Durrant
Andrea WenzlFrauenstimme 1
Caroline EbnerFrauenstimme 2 / Mrs. Plumer
Sabine KastiusFrauenstimme 3
Oliver LosehandMännerstimme 1 / Bonamy
Stefan MerkiMännerstimme 2 / Mr. Plumer
Hans KremerMännerstimme 3


 


Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 2012

Erstsendung: 01.12.2012 | 54'17


VERÖFFENTLICHUNGEN

  • CD-Edition: Der Hörverlag 2013


AUSZEICHNUNGEN


REZENSIONEN

  • Norbert Schachtsiek-Freitag: Avantgarde-Roman in einer exzellenten Adaption. In: Funkkorrespondenz 21.12.2012. S. 41.
  • Eva-Maria Lenz: Alles ist in Bewegung. In: epd Medien 14.12.2012. S. 38.
  • Christian Deutschmann: Seltsamer Junge. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. S. 38.
  • Christian Deutschmann: Auf zum Strand - Analytisch, empfindsam: Virginia Woolf als Hörspiel. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17.08.2013. S. 32 (zur CD- Ausgabe).

 

 

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