ARD-Hörspieldatenbank

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Hörspielbearbeitung



Raoul Hausmann

Hyle. Ein Traumsein in Spanien


Vorlage: Hyle. Ein Traumsein in Spanien (Roman)

Bearbeitung (Wort): Michael Farin

Komposition: zeitblom

Technische Realisierung: Wilfried Hauer, Angelika Haller

Regieassistenz: Christina Hänsel


Regie: Michael Farin

"Unter Stössen gegend Windes schwebt schwankend Schiff hebend, senkend zwischen schwarzen langsam steigenden Wasserballen in Wasserhöhlen abfallender Metallfisch, brüllend Schiffschraube überpolternd den Wind, anpressend gegen Anlauf, Aufstauf, unter sternsprenkelnder Nachtbläue. Mitternachtblau, drin schlingert Dampfer 'Ciudad de Mahon' südlich, der Isla blanca entgegen." Am 28. März 1933 trifft Raoul Hausmann auf der Flucht aus Nazi-Deutschland mit Ehefrau Hedwig Mankiewitz und Geliebter Vera Broïdo auf der Baleareninsel Ibiza ein. Verlassen wird er die Insel, wegen des anbrechenden Spanischen Bürgerkrieges, am 16. September 1936. Das 'Traumsein in Spanien' war mittlerweile zum Alptraum geworden. Multiperspektivisch, fluktuierend erzählt Hausmanns kaum verhüllter Schlüsselroman von dieser Zeit. Zunehmend verflüchtigt sich dabei die Wirklichkeit, Fiktionalisierung tritt an ihre Stelle: Der eindeutig mit Hausmann zu identifizierende Ich-Erzähler verwandelt sich in den kryptischen 'Gal', Hedwig Hausmann, zweite Gattin des Künstlers, ist hinter der 'Kleinen' erkennbar, Vera Broïdo, Geliebte der Jahre 1927 bis 1934, schlüpft in die Figur des Kind-Weibs 'Ara'. Mit diesem Hin-und-Her-Gleiten zwischen Realität und Fiktion wird "Hyle" zu einer Art 'Traumbuch' und 'autobiographischem Mythos', wie Hausmann selbst über sein Buch sagte. Sein Buch und auch die Hörspielproduktion sind der Versuch einer 'progressiven Universalpoesie', eines 'Anti-Romans' mit romantischer Stoßrichtung. Momente eines Anti-Entwicklungsromans, entstanden aus dem Überdruss an diesen 'stagnierenden' Geschichten, "deren letztes Wort man schon kennt, wenn man das erste gelesen hat", verquicken sich mit einer identitätssuchenden 'Expedition ins eigene Leben'. Die Handlung beginnt mit dem Aufbruch in eine völlig fremde Welt und entfaltet sich vor der Folie der drei - laut Hausmann - Kardinalthemen Liebe, Gemeinschaft und Gesellschaft um Emigrantenschicksal und Naturverbundenheit. An ihrem Ende steht der unwiederbringliche Verlust der Geliebten, das Chaos des Spanischen Bürgerkriegs und die neuerliche Flucht. "Hyle" entwickelt keine Utopie des freien Insel-Daseins, sondern macht das Leben als Geflecht von Tag- und Nachtträumen, Wunsch- und Angstträumen fassbar, im Widerspiel von subjektivem Erkenntnisdrang und objektiver Unerkennbarkeit der Welt. Carlfriedrich Claus, Hausmanns Briefpartner der 1960er Jahre, schrieb über "Hyle": "Diese Deine 'Prosa' ist nicht ausschließlich statisch bestimmte, lediglich rindengesteuerte 'Sprache', sondern sie ist SPRECHEN. Aus dem GESAMTEN Mikrokosmos Mensch, ja, nicht nur ihm, denkendes, empfindendes, wachsendes, auseinanderbrechendes, hindurchdrängendes, bauendes, wirbelndes, erinnerndes, vorspürendes SPRECHEN." Die Hörspielproduktion verbindet dieses Sprechen mit der Komposition Zeitbloms, mit filigranen Instrumentalspuren, melancholischen Cello-Melodien, fragilem Schlagzeug und kargen Gitarrendetails.

Raoul Hausmann, geboren am 12. Juli 1886 in Wien, war Maler, Fotograf und Schriftsteller. 1918 wurde er Mitbegründer der Berliner Dada-Bewegung. In Berlin lebte und arbeitete er zusammen mit der Künstlerin Hannah Höch. Aufgrund der politischen Polarisierung der Berliner Dadaistenszene veranstaltete Hausmann gemeinsam mit Hannah Höch und dem Künstler Kurt Schwitters eine "Anti-Dada-Merz-Tournee" nach Prag.Am 1. März 1933 floh Hausmann vor den Nationalsozialisten nach Ibiza. Hier verfasste er ethnografische Studien über die einheimische Architektur, die er mit eigenen Fotografien illustrierte und in mehreren Zeitschriften veröffentlichte. Nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs 1936 verließ Hausmann Spanien und floh nach Zürich und Prag, später nach Paris. 1940 floh er vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in das Dorf Peyrat-le-Château im unbesetzten Frankreich und verdiente dort seinen Lebensunterhalt als Sprachlehrer. Im Jahr 1944 siedelte er nach Limoges über, wo er am 1. Februar 1971 starb.

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Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Marijam AgischewaDie Kleine
Axel MilbergLeo Freund/Mann
Bernhard SchützGal/Raoul
Michèle TichawskyAra

Musik: Boram Lie (Violoncello), Steven Heather (Schlagzeug), Franz Hautzinger (Trompete)

 


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Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 2006

Erstsendung: 11.03.2007 | 15:15 Uhr | 78'22

 

 

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