Hörspiel

Autor/Autorin: Patricia Jünger

Sehr geehrter Herr - Ein Requiem

Technische Realisierung: Rudolf Strauss, Artur Kempter, Regina Kraus
Regieassistenz: Patrick Blank

Regie: Patricia Jünger

  • Weitere Mitwirkende

    Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
    Slavka TaskovaSopran
    Laura WeidacherEmilie Kempin
    Nicola WeisseSprecherin
    Klaus Henner RussiusSprecher

Aus der Basler Irrenanstalt Friedmatt richtete im Dezember 1899 die 46jährige Emilie Kempin ein Bewerbungsschreiben an den Basler Pfarrer Altherr, der per Annonce eine Magd für seinen Haushalt gesucht hatte. Die da schreibt ist weder eine gewöhnliche Anstaltsinsassin noch eine gewöhnliche Stellenlose. Sie war in einem angesehenen Pfarrhaushalt groß geworden, hatte selbst Pflichten einer Pfarrfrau und Mutter abgeleistet, angesichts ihrer scheiternden Familie ein Jurastudium samt Promotion durchgesetzt, in Zürich ihre Venia legendi erkämpft, eine Berliner Kanzlei eröffnet. Folgeerscheinung: berufliche Demütigung, persönliche Vereinsamung, völlige Mittellosigkeit. Endstation: Friedmatt. Vieles spricht dafür, daß Emilie Kempin hier nur landete, weil sie sich als Frau in Herrschaftsbereiche der Männerwelt vorgewagt hatte. Die Komponistin Patricia Jünger hat dieses erschütternde Dokument aufgegriffen. Ihre Partitur mischt Sprechpartien, die dem Brieftext von unterschiedlichen Betrachtungsstandorten begegnen, mit Klarinetten- und Schlagzeugklängen und mit einer textlosen, gewissermaßen das Überwußte der Schreiberin assoziiernden Koloraturpartie. In dieser "Überstimme" (Slavka Taskova) wird Emilie Kempin als Mensch projiziert, als der sie sich hätte entfalten können, wäre sie nicht durch eine feindliche Gesellschaft seelisch amputiert, vernichtet worden. Emilie Kempin hat die erbetene Stellung mit 10 Franken Monatssalär nicht erhalten. Zwei Jahre später war sie tot. Für ihr Hörstück "Sehr geehrter Herr - Ein Requiem" erhielt Patricia Jünger den Karl-Sczuka-Preis 1986.

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel

Produktions- und Sendedaten

  • Südwestfunk 1986
  • Erstsendung: 27.11.1986 | 50'40

Auszeichnungen

  • Karl-Sczuka-Preis 1986

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