ARD-Hörspieldatenbank
Hörspielbearbeitung, Dokumentarhörspiel
Das Verhör von Habana
Vorlage: Das Verhör von Habana (Theaterstück)
Regie: Hans Gerd Krogmann
Der Versuch einer Truppe von Exilcubanern, im April 1961 durch eine Landung an der "Schweinebucht" die Revolutionäre Regierung Cubas zu stürzen, schlug fehl. Diesem Ereignis vorausgegangen waren: Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen der USA zur cubanischen Regierung am 4.1.61. Es war dies eine der letzten Amtshandlungen Dwight D. Eisenhowers. "In Cuba sieht es übel aus. Es ist gut möglich, dass Sie dorthin Truppen schicken müssen", sagte er zu seinem Nachfolger John F. Kennedy. Berichte über Invasionsvorbereitungen hatten im Januar 1961 das Nachrichtenmagazin "Time" und die "New York Times" publiziert. Kennedy schickte jedoch keine amerikanischen Truppen nach Cuba. Am 12. April 61 gab er auf einer Pressekonferenz u. a. folgende Erklärung ab: "Die Auseinandersetzung über die Zukunft Cubas findet nicht zwischen den USA und Cuba, sie findet zwischen den Cubanern selbst statt." Kurz nach der gescheiterten Invasion der Exilcubaner am Strand von Girón verkündete Fidel Castro: "Die Invasoren sind vernichtet. Die Revolution ist aus dieser Schlacht siegreich hervorgegangen. Innerhalb von 72 Stunden hat sie eine Armee vernichtet, die über viele Monate hinweg von der imperialistischen Regierung der USA aufgebaut worden ist." Wenige Tage später begann in einem Theatersaal der cubanischen Hauptstadt das Verhör von Habana. Die Gefangenen wurden verpflegt, ärztlich versorgt und mit Kleidern versehen. Dann lud man sie auf Lastwagen und fuhr sie nach Habana. Sie haben dort, auf einem öffentlichen Hearing, also keiner Gerichtsverhandlung, vier Nächte lang dem cubanischen Volk Rede und Antwort gestanden. Das Verhör fand nicht in einem Gerichtssaal, sondern vor den Mikrophonen und Kameras statt; es konnte in ganz Nord-, Mittel- und Südamerika verfolgt werden. Hans Magnus Enzensberger hat aus dem über 1000 Seiten langen Tonbandprotokoll des öffentlichen Hearings aus 41 Verhören sechs besonders charakteristische für die Funkfassung eingerichtet. Es ist der Versuch einer dokumentarischen Rekonstruktion dieses historischen Ereignisses. "Die Befragung der Gefangenen von Playa Girón, die an vier April- Abenden des Jahres 1961 in Habana stattgefunden hat, ist ein exemplarischer Vorgang, das heißt, ein Vorgang, dessen Bedeutung über seinen Anlass hinausgeht. Wenn ich vorschlage, ihn zu studieren, ja sogar ihn zu wiederholen - als Rekonstruktion auf der Bühne, auf dem Fernsehschirm oder im Rundfunk - , so habe ich dabei nicht seinen lokalen Aspekt im Sinn. Als Material zum Verständnis der cubanischen Geschichte lassen diese Dialoge sich nicht archivieren. Was das Verhör von Habana zu einer unerhörten Begebenheit macht, was dem Dialog seine eigentümliche Dichte, Durchsichtgkeit und Schwere verleiht, ist die Situation, in der alle Beteiligten sich finden. Diese Situation ist revolutionär. Dadurch ermöglicht sie überhaupt erst den Vorgang, mit dem wir es zu tun haben. Eine herrschende Klasse lässt sich nämlich nicht rückhaltlos befragen, bevor sie besiegt ist. Vorher stellt sie sich nicht, legt keine Rechenschaft ab, gibt die Struktur ihres Verhaltens nicht preis, es wäre denn indirekt oder aus Versehen: Als Fehlleistung, als Indiskretion, im Zynismus der Eingeweihten, in der Mehrdeutigkeit des falschen Zungenschlages oder in der naiven Brutalität des Befehls. Erst wenn die Machtfrage gestellt ist, tritt die ganze Wahrheit über eine Gesellschaft ans Licht. Die herrschende Klasse kann nur als geschlagene Konterrevolution vollends zum Sprechen gebracht werden." (Hans Magnus Enzensberger)