ARD-Hörspieldatenbank


Hörspielbearbeitung, Porträt



Peter Weiss

Abschied von den Eltern (2. Teil)


Vorlage: Aschied von den Eltern (Erzählung)

Komposition: The Notwist

Redaktion: Katarina Agathos

Technische Realisierung: Andreas Meinetsberger, Josuel Theegarten, Susanne Herzig

Regieassistenz: Stefanie Ramb, Karena Lütge


Regie: Karl Bruckmaier

Der Tod der Eltern wird für den Erzähler in Peter Weiss' autobiografischer Prosa Auslöser zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich. "Abschied von den Eltern", erstmals 1961 erschienen, handelt von dem Zauber und den Abgründen der Kindheit, von den schmerzhaften Prozessen des Wachsens, der unausweichlichen Loslösung von Vater und Mutter, der Suche nach einem eigenen Leben. Sprunghaft und dennoch kunstvoll gewebt, mit einer gleichermaßen soghaften wie präzisen Sprache breitet Weiss ein Netz aus Momentaufnahmen aus und entwirft eine Ausdeutung seiner Vergangenheit, die in seine Entwicklung zum Künstler mündet. Der Erzähler berichtet von der frühen Kindheit und den ersten prägenden Eindrücken seiner Heimatstadt, schildert die sublimen Machtspiele unter Kindern und seine ersten sexuellen Erfahrungen. Er berichtet von Friederle, dem Nachbarsjungen, der ihn beständig drangsaliert und darüber, wie ausgeschlossen er sich nicht nur gegenüber Gleichaltrigen, sondern auch innerhalb seiner Familie fühlt. Die Beziehungslosigkeit der autoritären Eltern und ihre unantastbare Dominanz erzeugen für ihn den Eindruck als Fremder unter Fremden zu leben und den Wunsch nach Wärme und Zugehörigkeit. Als die geliebte Schwester Margit stirbt, beginnt für ihn die allmähliche Auflösung seiner Familie, die begleitet wird durch die lange Flucht vor den Nationalsozialisten ins schwedische Exil über London und Prag. Schließlich führt die Möglichkeit, eigene Ausdrucksformen in Malerei und Literatur zu finden, zu freiheitlicher Selbstbestimmung und innerer Unabhängigkeit. Eine Entwicklung, der seine Eltern durch eine Lehre im Warenhaus vergeblich versuchen, entgegen zu wirken. "Und die Unruhe, die jetzt begonnen hatte, ließ sich nicht mehr eindämmen, nach Wochen und Monaten langsamer innerer Veränderungen, nach Rückfällen in Schwäche und Mutlosigkeit, nahm ich Abschied von den Eltern." Abschied von den Eltern erscheint als erster Teil einer autobiografischen Künstlerprosa, die in "Fluchtpunkt" (1962) ihre Fortsetzung findet. Obwohl Peter Weiss immer sehr nah an seinen persönlichen Erfahrungen bleibt, bekommen seine Schilderungen etwas entwicklungspsychologisch Allgemeingültiges. Gleichzeitig schafft er durch die differenzierte Beschreibung des Einflusses von Familie auf das Individuum auch eine kritische Betrachtung des konservativen Bürgertums Mitte des 20. Jahrhunderts, wodurch seine Erzählung zu einem wichtigen Werk für die Jugendprotestbewegung von 1968 wurde. Die Stimmung der hier ungekürzten Audiofassung der Erzählung wird auch durch den Sound der Independent Band "The Notwist" zur Geltung gebracht. Grundlage für die musikalischen Intermezzi sind acht Collagen, die Peter Weiss 1962 zu Abschied von den Eltern angefertigt hat, um die Geschichte mit anderen Mitteln noch einmal zu erzählen.

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Mitwirkende

Sprecher/Sprecherin
Robert Stadlober


 


Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 2013

Erstsendung: 19.04.2013 | 97'25


VERÖFFENTLICHUNGEN

  • CD-Edition: Der Hörverlag 2013


AUSZEICHNUNGEN


REZENSIONEN

  • Swantje Karich: Am Ende blutet das Ohr - Karl Bruckmaier gelingt mit "Abschied von den Eltern" von Peter Weiss ein Meisterwerk. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 14.09.2013. S. 36 (zur CD- Ausgabe).

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