ARD-Hörspieldatenbank

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Hörspielbearbeitung



Yvan Goll

Die Eurokokke


Vorlage: Die Eurokokke (Roman)

Bearbeitung (Wort): Karl Bruckmaier

Technische Realisierung: Wilfried Hauer, Regine Elbers

Regieassistenz: Anja Scheifinger


Regie: Karl Bruckmaier

Ein Bazillus geht um in Europa - die Eurokokke zerfrisst die Kultur, nagt sich fest in den Herzen der Menschen, infiziert selbst Kleinbürger mit Langeweile, Liebeskälte und Sinnverlust. "Europa war ohne Gott, und deshalb war sein Schicksal so schwer. Es gab auf der ganzen Strecke der Boulevards keinen einzigen Stein, vor dem man knien konnte, und das, das war so unerträglich!" Yvan Golls Roman "Die Eurokokke", 1927 erstmals veröffentlicht, zeichnet den Untergang des Abendlandes als Tour de Force zwischen Surrealismus und Expressionismus, zwischen Dekadenz und Zivilisationskritik. "Der Protagonist in Yvan Golls 'Die Eurokokke' bettelt geradezu darum, in Versuchung geführt zu werden: Irgendwo wird der Sinn des Lebens schon auf ihn lauern, bei der Arbeit, zwischen den Beinen eines Mädchens, in verkommenen Hinterhöfen, auf wilder Flur, in dekadenten Bars und Clubs. Doch unser Sinnsucher verliert sich zwischen Pathos und Parterre, deliriert sich in ein Kriminalabenteuer, wähnt sich infiziert mit einer neuartigen Pestilenz, die seinen Ennui erklären könnte. Er hat die Eurokokke sich eingefangen, die Krankheit des alten Europas. Nun, die Passagen über Sinnsuche und Dekadenz haben im Lauf der Jahrzehnte etwas schwülstig wirkende Patina angelegt, aber das rauschhafte Durcheilen dieses Paris der Zwanziger Jahre - eigentlich eine fast filmische Verortung der Handlung - hat nichts von seiner brisanten Augenblicksschärfe verloren. Hier berührt der Expressionist (und auch der Joyce-Kenner) unwissentlich und über einen aufsteigenden Weltkrieg hinweg die Beat-Literatur eines Kerouac oder Huncke. Wir treffen auf Mr. Blooms und Mr. Moriartys Vetter aus Paris. Um die Verfremdung der skelettierten Handlung noch auf die Spitze zu treiben, wurde der quasi monologische Text aufgeteilt. Weibliche und männliche Fluchthelfer eilen mit dem namenlosen Protagonisten durch die Stadt, befeuert von einem fast brechtisch-strengen Chor, der sich aber auch gern und ausgiebig seiner langen Dienstjahre in katholischen Kirchen entsinnt und am Lagerfeuer versucht, sich an einen Gassenhauer von Bob Dylan zu erinnern." (Karl Bruckmaier)

Yvan Goll (1891-1950), eigentlich Isaac Lang, war ein deutsch-französischer Schriftsteller. Von 1914 bis 1918 lebte er im Schweizer Exil und ab 1919 in Paris, wo er 1924 die Zeitschrift "Surréalisme" herausgab. 1921 heiratete er die Schriftstellerin Claire Goll (1890-1977), mit der er 1939 nach New York emigrierte. 1947 kehrte er nach Frankreich zurück. Seine bekanntesten Werke sind "Lucifer vieillissant" (Roman, 1934), "Methusalem oder Der ewige Bürger" (Drama, 1922), "Jean sans Terre" (Gedichte, 1936-1944).

Karl Bruckmaier, geboren 1956 in Pfarrkirchen, ist DJ, Journalist und Hörspielautor. Er hat u.a. die folgenden Hörspiele verfasst: "Art" (BR 1989), "Front" (BR/HR 1989), "Index" (BR 1990), "Kimako's Blues People and the Nuyorican Poets Café present" (mit Miguel Algarin und Amiri Baraka, BR 1994), "'Dann aber wird ein Dichter an ihm verlorengegangen sein' - Mutmaßungen über Jakob van Hoddis" (BR 2002).

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Mitwirkende

Sprecher/Sprecherin
Marion Breckwoldt
Jörg Hube
Katja Rupé
Martin Semmelrogge


 


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Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 2003

Erstsendung: 19.01.2004 | 20:30 Uhr | 52'16


REZENSIONEN

  • Eva-Maria Lenz: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 19.01.2004. S. 32. - Torsten Körner: Funk-Korrespondenz. 52. Jahrgang. Nr. 4. 23.01.2004. S. 29. - Stefan Fischer: Süddeutsche Zeitung. 19.01.2004. S. 17. - Jutta Heess: Frankfurter Rundschau. 19.01.2004.

 

 

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