ARD-Hörspieldatenbank

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Originalhörspiel



Eran Schaerf

Nichts wie Jetzt


Redaktion: Herbert Kapfer

Technische Realisierung: Hans Scheck, Regine Elbers

Regieassistenz: Katja Langenbach


Realisation: Eran Schaerf

"Willkommen im Interface-Studio der zusammengeschlossenen Sendeanstalten. Hier können Sie Geschichten aus Ihrem Alltag aufführen und Sie sind live auf Sendung. Um sich zu registrieren, geben Sie -Empfänger unbekannt' oder -Miss Test' ein. Wiederholen Sie Ihre Eingabe um sich aus dem Empfangsbereich zurückzuziehen. Wenn Sie nichts tun, schaltet sich die Aufnahmefunktion innerhalb von 59 Sekunden automatisch aus", sagt ein Moderator in automatischem Ansageton und erklärt damit die Spielregeln für Eran Schaerfs neues Hörspiel. Eine Hörerin loggt sich ein und stellt sich und ihren Mann als ausgewanderte Figuren einer englischsprachigen Geschichte vor. Da sie nicht als solche erkannt werden wollen, beschließen sie, sich für die deutschsprachige Sendung umzubenennen. Wie auch immer sie heißen werden - mit der Vorstellung eines neuen Namens versuchen sie, ihre Rolle als Figuren einer Geschichte mit der Rolle realer Personen zu tauschen. In der Geschichte gab es in der Nachbarwohnung eine Schlägerei. Die Frau hörte Schreie, intervenierte jedoch nicht, da sie damit zugegeben hätte, ihre Nachbarn belauscht zu haben. Von der Wiederaufführung dieser Szene für die Sendung verspricht sie sich die Möglichkeit, die Handlung, zu der sie in der Geschichte nicht in der Lage war, live nachholen zu können. Doch bereits bei der Eingabe der Geschichte treten Fehler auf: "Fehler 111: Es gibt Figuren, die in der Sprache beheimatet sind, aber eine Kurzgeschichte ist nicht ein Land, aus dem man auswandern kann. Fehler 243: Geschlechtsmerkmale unberechenbar. Fehler 576: Doppelbesetzung. Sie sind diejenige, die berichtet und diejenige, von der berichtet wird." Wie in der Geschichte, so funktioniert auch in der Sendung die Übertragung nicht einwandfrei, da das Radiogerät der leidenschaftlichen Radiohörerin gelegentlich Gespräche aus Nachbarwohnungen überträgt - oder heimliche Telefonate von Haushälterinnen während ihre Arbeitsgeberinnen nicht zuhause sind, auch Bekundungen von Magenbeschwerden, sinnlicher Liebe, abgrundtiefer Eitelkeit, Vertrauen, Verzweifelung und Erläuterungen zur Heimvorführung eines Urlaubsfilms. Ob der Nachbar für die Sendung seine Frau noch einmal schlagen würde? Ob die Nachbarin dann die Treppe hinauflaufen würde, um zu helfen? Diese Vorstellung ruft in ihrem Gedächtnis zunächst eine andere Geschichte ab, in der sie selbst einer Macht unterworfen war und ein Opfer von Gewalt wurde. Gespalten zwischen der Opferrolle, die sie in der einen Geschichte einnehmen musste, und der Machtposition, die sie durch das Belauschen in der anderen Geschichte eingenommen hat, schiebt die Hörerin die Handlung auf. Eigentlich ist sie der Meinung, sie hätte die Funktion Schrittgeräusche-Treppe-Aufstieg aktiviert. Oder geht es in der Sendung doch um mehr, als was man hört? Ging der Moderator wirklich davon aus, dass sie die Treppe hinauflaufen würde?

Eran Schaerf, geboren 1962 in Tel Aviv, ist Künstler. Seit 2008 arbeitet er als Dozent für künstlerische Praxis an der Zürcher Hochschule der Künste. Seit 1997 Filme und Hörspiele mit Eva Meyer, u.a. "Flashforward" (BR 2004).

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Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Franziska BallIrene, später Moderator
Pauline BoudryJim, später Irene
Peter VeitModerator, später Jim


 


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Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 2009

Erstsendung: 22.02.2009 | 15:00 Uhr | 37'02


REZENSIONEN

  • Tina Klopp: epd medien. Nr. 19. 11.03.2009. S. 26-27
  • Jochen Meißner: Störungen des Realitätsbildes. In: Funk-Korrespondenz, 13.03.2009, S.23

 

 

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