ARD-Hörspieldatenbank
Lesung
sun ra notes & numbers
1984 spielten Sun Ra und sein Arkestra in Athen. Das Konzert fand am 27. Februar im Orpheus Theater statt. Es ist das einzige Konzert des Arkestra, das vollständig bis zur letzten Note auf drei Langspielplatten festgehalten wurde (praxis cm 108/109/110), wie der Sun Ra-Discograph Hartmut Geerken herausgefunden hat. Robert Lax, der bisher den Musiker nur von Platten und aus Erzählungen von Geerken kannte, kam extra für dieses Konzert von seiner Insel aufs Festland. Er ließ keine Möglichkeit aus, mit Sun Ra und seinen 12 Musikern zusammenzusitzen, mit ihnen zu sprechen, sie zu fotografieren und sich Notizen zu machen, die quasi fotorealistisch oft winzige Begebenheiten zum Gegenstand haben. Wie ein Fotograf dasselbe Motiv mit verschiedenen Brennweiten oder Belichtungszeiten aufnimmt, notiert sich Robert Lax dieselben Sachverhalte aus verschiedenen Blickwinkeln. Wie bei einer Aufnahme, auf der neben dem Hauptmotiv noch andere Dinge mit abgebildet sind, gibt es auch in Robert Lax' 'sun ra notes und numbers' scheinbar Zufälliges und Nebensächliches. Jazz war kein Novum für den Dichter, schon in früheren Texten tauchen immer wieder Namen von Jazzmusikern auf. Mit seinem Freund Thomas Merton war Lax in den 30er und 40er Jahren viel in Jazzclubs unterwegs. Duke Ellington kannte er schon aus seinem Elternhaus. Sun Ra war nicht nur Komponist, Pianist und afroamerikanischer Bandleader. Seine Spiritualität, die nicht an eine der Weltreligionen gebunden war, unterscheidet ihn von anderen Jazzmusikern. Diese Art von Spiritualität ist es wohl auch, die ihn mit Robert Lax verbindet, beiden gemeinsam ist auch der folgerichtige Rückzug aus dieser Welt. Lax lebt seit fast vierzig Jahren als Eremit auf einer kleinen griechischen Insel, Sun Ra sah sich seit Mitte der 50er Jahre nicht mehr als eine Realität in dieser Welt, sondern zog sich zurück in einen omniversalen Mythos: "this planet is not my home".