ARD-Hörspieldatenbank

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Originalhörspiel



Rudolf Herz

Der kalte Sommer 1912


Redaktion: Katarina Agathos

Technische Realisierung: Ulrich Müller, Siegfried Rössert


Realisation: Ulrich Müller, Siegfried Rössert

100 Tage, vom 21. Juni bis Ende September 1912 war Duchamp in München, an dem Ort, den er später als "Schauplatz meiner totalen Befreiung" beschreiben sollte. Eingemietet in der Wohnung eines Ingenieurs und technischen Zeichners bahnte sich unter dem Eindruck einer ganz unerwarteten und inspirierenden Begegnung mit der abstrakten Welt der Technik eine Wende im Werk des Künstlers an. Fortan suchte Duchamp jede persönliche Handschrift zu vermeiden, veranstaltete Experimente mit dem Zufall und entdeckte den Geist der Ironie. Gleichzeit war diese Zeit von einem Psychodrama überschattet. Vor seiner Abreise nach München hatte Duchamp sich in Gabriella Picabia, die Frau seines besten Freundes, verliebt und erfahren, dass diese Liebe unerwidert blieb. Die Phase künstlerischen Umbruchs und emotionaler Belastung in der Biographie Duchamps wird in "Der kalte Sommer 1912" aufgegriffen. Tatsächlich herrschte in Bayern in diesen Monaten außergewöhnlich schlechtes Wetter, wie aus den überlieferten Unterlagen des meteorologischen Landesamtes hervorgeht. Rudolf Herz erklärte das spröde Zahlenwerk der Meteorologen zur Partitur, die in einer freien Interpretation von dem Duo 48nord hörbar gemacht wird. Hierbei wird der Spannungszustand zwischen abstrakt-objektivierender Technologie und individuellem Tun ausgehend von den Wetterdaten des Sommers 1912 gestaltet. Tempo, Melodie und Processing leiten sich von der Temperatur-, Niederschlags- und Luftdruckkurve ab und übernehmen deren formale Proportionen. Außerdem werden den Wochen, die Duchamp in München verbrachte, jeweils zwei Satzfragmente aus den Originalbegleittexten zu den Tabellen von 1912 zugeordnet, welche die Wetterdaten interpretieren. "Ein streng formalisiertes, aus den Wetterdaten abgeleitetes Klanggerüst wird mit der Unmittelbarkeit spontaner instrumentaler, also manueller, sowie stimmlicher Hervorbringung von Klängen und Geräuschen konfrontiert. Daraus entsteht eine Skala unterschiedlich scharf gezeichneter Kontraste, Interferenzen und klanglicher Schwebezustände, die in einem vielschichtigen Klangbild miteinander verwoben werden." (48nord)

Rudolf Herz, geboren 1954, ist Bildhauer und Autor. Er studierte Kunst an der Akademie der Bildenden Künste München und promovierte an der Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg. Er lehrte an Hochschulen und beteiligte sich an Ausstellungen im In- und Ausland. Ulrich Müller (geboren 1957) und Siegfried Rössert (geboren 1955) gründeten 1998 die Gruppe 48nord, mit dem Ansatz, Rock- und Experimentalmusik miteinander zu verschmelzen. Sie nahmen an internationalen Festivals mit Musikern wie Jeff Parker (Tortoise), Bennie Maupin oder Charlotte Hug teil.

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Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Cornelia MeliánStimme
Sebastian FuchsStimme

Ensemble Musik: 48nord: Ulrich Müller (Gitarre), Siegfried Rössert (E-Bass)

Musik: Wolfram Winkel (Percussion), Leopold Gmelch (Posaune), Markus Muench (Violine)

 


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Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 2012

Erstsendung: 20.07.2012 | 44'34


REZENSIONEN

  • Jochen Meißner: Raster mit kleinen Unregelmäßigkeiten. In: Funkkorrespondenz 27.07.2012. S. 27.
  • Stefan Fischer: Wettermusik. In: Süddeutsche Zeitung 20.07.2012. S. 31.

 

 

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