ARD-Hörspieldatenbank
Hörspielbearbeitung
Lärmkrieg
Vorlage: Lärmkrieg (Theaterstück)
Komposition: Bo Wiget
Redaktion: Katarina Agathos
Technische Realisierung: Jean-Boris Szymczak
Regieassistenz: Jasmin Schäffler
Regie: Leopold von Verschuer
Großbaustellen wie der Ausbau des Frankfurter Flughafens: Es gibt sehr unterschiedliche Sichtweisen darauf, und die verschiedenen Versionen werden jeweils mit äußerster Vehemenz vorgetragen. Ein Verkehrsinfrastrukturwahnsinn, der den Geist der Finanzkrise in sich trägt, sagen die einen. Ein Wachstumsmotor und somit Wohltat für die Allgemeinheit, sagen die anderen. Kathrin Röggla untersucht in ihrem neuen Hörspiel eine Gesellschaft der Betroffenen und findet sich unversehens in einem Krieg mit verhärteten Fronten wieder, einem Lärmkrieg, deren Linien jedoch asymmetrisch verlaufen. Für sie ist der Protest gegen den Frankfurter Flughafen exemplarisch für das, was in ganz Deutschland geschieht: Schließlich hat der Wutbürger überall die Bühne betreten. "Wir sind hier, wir sind laut, weil Fraport uns die Ruhe klaut!", skandiert er unter anderem. Röggla hat mit Neubetroffenen gesprochen - die sich sorgfältig von den Altbetroffenen unterscheiden -, die nur noch in der Zivilgesellschaft ihre Handlungsmöglichkeit sehen und demokratiemüde und ernüchtert bis entsetzt über das Vorgehen "ihrer" Partei sich nicht mehr vertreten fühlen. Doch wer sind die Protagonisten überhaupt, die auf die Barrikaden gehen? Verhinderungspersönlichkeiten? Opfer? - "Welche politischen Subjekte treten in Erscheinung, welche Allianzen, gesellschaftliche Organisationsformen bilden sich in Zeiten der Schwarmintelligenz, des Crowdfundings und des Flashmobs? Welche Formen des Widerstands in Zeiten des Shitstorms und der Spaßdemos? Bei meiner Recherche fand ich mich in extrem ambivalenten Situationen wieder. So stand ich mit einem Juristen, einer treibenden Kraft seiner Bürgerinitiative, vor dem Aufzug - man hat über eine Stunde gegen die mächtigen Drahtzieher polemisiert - und ich stellte die harmlose Frage, was er selbst mache. "Ich vertrete die großen Unternehmen gegen ihre Arbeitnehmer", kam da so fröhlich und harmlos frech, als würde das nichts an meinem Eindruck über das Gespräch ändern können. Es hat was Merkwürdiges, wenn sich Profiteure eines Systems plötzlich gegen dieses zu wenden beginnen, aber quasi nur als Teilzeitprojekt. Aber sind das nicht gerade die interessanten Figuren? Auffällig ist jedenfalls das ständige Monieren einer fehlenden Moral, die meine ganze Recherche begleitet. Mir scheint, dass motivisch sich die Achse Handlungsfähigkeit vs. Ohnmachtsgefühl am stärksten anbietet. Welche Form des politischen Handelns ist gesellschaftlich noch möglich? Wie kann man die erfahrene Ohnmacht wieder in Handlungsoptionen ummünzen?" (Kathrin Röggla)
Kathrin Röggla, geboren 1971, ist Autorin. Sie verfasste u.a. die Theaterstücke "die beteiligten" (2009), "worst case" (2010, Nestroy-Theaterpreis Bestes Stück – Autorenpreis); zu ihren BR-Hörspielen gehören u.a. "really ground zero – anweisungen zum 11. september" (2002, Radio-Preis der RIAS Berlin Kommissi on 2003), "die alarmbereiten" (2009, Hörspiel des Monats August 2009), "publikumsberatung" (2011, Hörspiel des Monats Januar 2011), "die unvermeidlichen" (2012).