ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Der Antrag
Technische Realisierung: Theresia Singer, Stefan Hansel
Regieassistenz: Christoph Pragua
Regie: Heinz Wilhelm Schwarz
" 'Der Antrag' ist ein Erinnerungsprotokoll einer deutsch-deutschen Ausreise. Das heißt, es basiert auf protokollierten Berichten von Menschen, die die DDR verlassen haben; die zur Verfügung gestellten Dokumente belegen ihre Authentizität. Ich meine, wer die Verhältnisse in der Bundesrepublik kritisiert und in Frage stellt, kann nicht so tun, als gäbe es die 'Verhältnisse' in der DDR nicht. Oder umgekehrt: Wer die Verhältnisse in der DDR kritisiert und in Frage stellt, kann nicht so tun, als gäbe es die hier nicht, unter anderen Vorzeichen, unter anderen Bedingungen, versteht sich. 'Verhältnisse sind nicht einfach da, sie werden hergestellt von Menschen, von Bürgern. Von Staatsbürgern, meinetwegen. Daß dieses Land geteilt ist, ist nicht die Schuld von irgend jemandem, sondern es war die Schuld seiner Bürger. Sie haben einen Verbrecher nicht nur zugelassen, sondern zu ihrem Anführer gewählt und sich an seinen Verbrechen beteiligt. Viele vergessen das. Sie vergessen auch heute, woran sie sich beteiligen. Was ist das für ein Land, das Todesstrafen, Mauern und Selbstschußanlagen braucht, das, wie in den 17-Uhr-Nachrichten des Hessischen Rundfunks vom 15. Januar 1986 zu hören war, 380000 DDRBürger mit Hilfe eines Ausreiseantrages für immer verlassen wollen, aber nur ein ganz geringer Prozentsatz verlassen darf? Sind jene Deutschen, die an der Durchführung dieser 'Verordnungen' beteiligt sind, unmoralischer als die Deutschen in der BRD? Oder wären sie austauschbar, weil das zur deutschen Mentalität gehört? Eine moralische Wende? Wann? Wo? Bei wem?"
Rolf Defrank wurde 1926 in Leipzig geboren. Er arbeitete nach seinem Studium als Schauspieler, Regisseur und zuletzt als Leiter der Fernsehspiel- und Hörspielabteilung des Sender Freies Berlin. Seit 1972 ist er freier Schriftsteller. Er veröffentlichte Dokumentationen, Theaterstücke, Hör- und Fernsehspiele.