ARD-Hörspieldatenbank

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Originalhörspiel


Studioreihe (UKW)


Hans Esderts

Die beiden Sibirier


Technische Realisierung: Günter Becker, Ilse Lorenz


Regie: Günter Bommert

Radio Bremen setzt mit dieser Funkballade seine Studioreihe für junge Autoren fort. Die Arbeit wurde zu unserem Preisausschreiben für junge Autoren eingereicht und gehört zu den zehn besten Einsendungen. Der Autor entnahm die Anregung zu seinem Stück einer kurzen Zeitungsnotiz folgenden Inhalts: Im Jahr 1950 wurden in einem D.P.-Lager in Kanada zwei Sibirer vernommen, die bis dahin ihre seltsame Geschichte niemandem erzählen konnten, weil sie niemand verstand oder verstehen wollte. Und das lag nicht nur an den sprachlichen Schwierigkeiten. Der vernehmende Captain schickte sie als freie Landarbeiter auf eine kanadische Farm. Das Schicksal dieser beiden Sibirer schien dem Autor symptomatisch für das Geschick des Menschen in unserer Zeit überhaupt. Es ist natürlich ein bestimmter Typus des Zeitgenossen gemeint, nämlich der naive, dem Geschehen hilflos ausgelieferte Mensch, der passive Held, wenn man das Wort "Held" überhaupt noch gebrauchen will. Bei den beiden Sibirern kam noch hinzu, daß sie ihr Schicksal gleichsam "sprachlos", ohne echte mitmenschliche Kommunikation zu bestehen hatten. Wie sie nun im Gespräch mit dem Captain zur "Sprache" kommen, das macht den äußerlichen Ablauf des Stückes aus. Diese erinnernde Vergegenwärtigung des stumm erlittenen Geschicks verlangte nun nach einer besonderen sprachlichen Darstellung. Dem Autor erschien die rhythmisch gebundene Form des Verses am geeignetsten, um die inneren Vorgänge der beiden Hauptfiguren deutlich zu machen. Ihm schwebte die Form einer dramatischen Funkballade vor, ohne damit ein neues Klischee prägen zu wollen. Das leitmotivisch wiederkehrende "Groß ist der Baikal, wann seh ich ihn wieder" soll wirken wie der Kehrreim eines Volksliedes. Auch bei der Wahl der Metaphern bemühte sich der Autor, milieugerecht zu bleiben, ohne in blanken Naturalismus zu verfallen. So entstand sicher kein Hörspiel im üblichen Sinn - aber was ist schon dieser übliche Sinn -, sondern ein Versuch, das sprachlose Schicksal des Menschen in unserer Zeit mit den Mitteln der Sprache zu bewältigen.

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Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Wolfgang GolischJuri, sibirischer Bauer
Heinz KlevenowPjotr, sibirischer Bauer
Heinz KlingenbergCaptain Campbell
Carl NagelChronos


 


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Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Radio Bremen 1955

Erstsendung: 06.11.1955 | 40'58

Darstellung: