ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Die Wunde in meinem Rücken
Technische Realisierung: Helmut Becker, Ursula Potyra
Regieassistenz: Christoph Müller
Regie: Elisabeth Pfister
Irmgard R., 80 Jahre alt, hat seit über drei Jahren ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Seit fünfzig Jahren wird sie von Schmerzen gequält, im Rücken, in den Hüften, in den Beinen. Sie wiegt jetzt noch 35 Kilogramm, lebt hauptsächlich von Schmerzmitteln. Wie sich eine Biographie, wie sich Zeitgeschichte in einen Körper hineinfrißt, das kann man an Irmgard R. sehen. Wie dieser Körper aber auch zum Blitzableiter von Verleugnetem, Verdrängtem wird, wie die Flucht in die Krankheit wiederum beim Überleben hilft, auch dafür ist Irmgard R. ein Beispiel, sie, deren Leben für dieses Jahrhundert, für diese Frauengeneration gar nicht ungewöhnlich war. Das Hörspiel versucht, den vielstimmigen Binnenraum dieser Frau wiederzugeben: Die Instanzen von Schuld, Selbstanklage und Selbstbestrafung; die Fluchtlinien in die Krankheit; das Selbstmitleid; die plötzlichen Einsichten. Irmgard R. trägt im Grunde alle Instanzen eines Tribunals in sich, sie ist zugleich Schuldige und Verteidigerin, Opfer und Ankläger, Richter und Zeugin. Die verschiedenen inneren Stimmen sind männlich und weiblich: Originaltöne, ein von Irmgard R. verfaßter Lebensbericht, Zitate aus ihrer verschlungenen Krankengeschichte, Gutachten, diagnostische Beschreibungen, Beipackzettel von Medikamenten - dies alles ergibt eine Art Requiem für ein ganz normales Frauenleben in diesem Jahrhundert.
Elisabeth Pfister, Jahrgang 1952, lebt als Fernsehjournalistin und Schriftstellerin in Frankfurt.