ARD-Hörspieldatenbank
Hörspielbearbeitung
Ein armer verlassener Mann sieht in einen grauen Sonntag mit Regen
Vorlage: Briefwechsel; Prosa
Bearbeitung (Wort): Norbert Jochum
Dramaturgie: Peter Liermann
Technische Realisierung: Helmut Becker, Gabriele Hintz
Regie: Alfred Behrens
Für eine kurze Zeit hat Gottfried Benn die Nazis falsch verstanden. Die allerdings verstanden ihn von Anfang an richtig: mit dem war ihr Staat nicht zu machen. Benns Lage in Berlin war unhaltbar geworden - "wirtschaftlich, beruflich und vollends, Sie wissen, literarisch. Ich habe meine Praxis aufgelöst, die Belle-Alliance-Straße wird mich nicht wiedersehen. Ich tauche unter, kehre zurück, woher ich kam, zur Armee, Standort zunächst Hannover. (...) Ich bin nicht sicher, ob ich das Richtige unternehme, aber das andere ging auch nicht weiter. Ich muß sehen, was wird, ob es geht, ob ich noch einmal eine neue Existenz finde. Skeptischer, kälter, erwartungsloser kann man ein neues Leben nicht beginnen, als ich es hier tue." In Hannover beginnt Gottfried Benn ein neues Leben, aber das alte geht natürlich auch noch weiter. "Gute Regie ist besser als Treue."
Aus zahlreichen Briefen an Tilly Wedekind und Elinor Büller sowie aus Briefen an F. W. Oelze und anderen wenigen literarischen Texten hat Norbert Jochum eine Collage zusammengestellt, die jenes Bennsche Credo auf irritierende Weise beleuchtet.
* Gottfried Benn (1886-1956), dessen widersprüchliche (oder konsequente - was in seinem Fall beinahe das Gleiche ist) Biographie von der Faszination seines Werkes kaum zu trennen ist, begann als expressionistischer Dichter. 1933 wandte er sich dem Nationalsozialismus zu, distanzierte sich aber schon ein Jahr später und erhielt von 1938-1948 Schreib- und Publikationsverbot. Seine letzte Schaffensperiode ist geprägt von einem kühnen, existentiellen Nihilismus ("... ist ein Glücksgefühl") und dem radikalen Glauben an die formale Kraft der Kunst.