ARD-Hörspieldatenbank
Hörspiel
Parmenion
Regie: Günther Sauer
In seiner jüngsten Arbeit, "Parmenion", unterzieht György Sebestyén die beiden, aus dem "Hellenismus"-Begriff des Aristoteles abgeleiteten Irrwege (den materiellen des Alexander und den geistigen des Parmenion) einer dialogisch entfalteten Kritik. An dem historischen Stoff interessiert ihn eine immer aktuelle Fragestellung, wie zum Beispiel die Problematik der inneren Emigration, die letztlich der Bestätigung bestehender Herrschaftsverhältnisse dient. Seit Jahren schon beschäftigte ihn die Gestalt des makedonischen Feldherrn Parmenion, der siegen konnte, ohne an den Sinn eines Sieges zu glauben, ja, ohne eigentlich siegen zu wollen. "Wir neigen dazu", erläutert der Autor in einem Vorspruch, "die Perfektion an sich der eigenen Überzeugung unterzuordnen und opfern doch täglich die eigene Überzeugung jener Perfektion. Parmenions Tragödie ist bloß ein einziges Glied in der Kette ähnlicher Tragödien. Im Jahr 356 v. Chr., in dem sein späterer König und Mörder, Alexander der Große, zur Welt kam, war Parmenion bereits ein erfahrener, siegreicher Feldherr, der auch unter Alexander weiter siegte, allerdings ohne an die Notwendigkeit all der Schlachten und Siege glauben zu können. Die Sicherheit Makedoniens war nicht mehr gefährdet, Hellas war so gut wie vereint, die persische Macht entschieden geschwächt. Hatte der weitere Kampf noch einen Sinn? War es nicht gerade für Makedonien, für Hellas, lebenswichtig, mit den besiegten Persern einen würdigen Frieden zu schließen? Alexander befahl, weiter zu marschieren, immer weiter bis an das Ende der Welt. Am Vorabend jeder Schlacht warnte Parmenion vor den Folgen des Sieges. Endlich war Alexander des ewig Nüchternen müde. Nach dem endgültigen Sieg über den persischen Großkönig Dareios ließ er den alten Parmenion zurück, damit dieser die erbeuteten Schätze bewache. Parmenions beide Söhne folgten freilich dem König. Der eine, Nikanor, starb, der andere, Philotas, rebellierte. Die beinahe zeitgenössischen Historiker - die späteren erst recht - lassen sich in diesem Punkt von ihren hemmungslosen Sympathien leiten, denn die Quellen sind trüb. Manche lieben Alexander und behaupten, Philotas sei ein Verschwörer gewesen, den der König vernichten musste. Andere lieben Alexander weniger und sagen, Philotas, der unglückselige Tropf, hätte bloß ein wenig zu viel geredet. Und es gibt welche, die den Philotas geradezu feiern, als Widerstandskämpfer gegen das Regime eines ständig betrunkenen und manchmal auch ganz und gar besoffenen Königs, der um sein 30. Lebensjahr herum plötzlich hinterlistig wurde, vielleicht sogar verrückt, sonst krankhaft weich. Tatsache ist, dass Alexander den Philotas nach einem Schauprozess hinrichten ließ. Tatsache ist, dass danach der König auch den alten Parmenion verurteilen ließ und die Vollstreckung des Todesurteils seinen Offizieren überantwortete. Tatsache ist auch, dass sich Alexander vor Parmenion fürchtete. Man könnte das so interpretieren: Das Genie wehrte sich gegen die Verkörperung des Mittelmaßes. Man könnte aber auch sagen: Parmenion ist der echte Träumer gewesen, der Mann, der die Größe Makedoniens und die von Hellas wollte, gerade weil er wusste, wo diese Größe ihren Kulminationspunkt erreicht. Wenn wir aber in diesem Sinne annehmen, dass Parmenion ein Schwärmer war, dann müssten wir auch glauben, dass Alexander die Größe seines Reiches bloß an dessen Ausdehnung maß. Fragen über Fragen. Man erwarte sich keine Antwort. Wir, deren Beruf es ist, Hohlräume zu zeigen, - und nicht nur zu zeigen, sondern zu bilden - können nur das Gleichnis einigermaßen gestalten. Wenn wir es können. Wir versuchen es eben."