ARD-Hörspieldatenbank
Ars acustica
Dieser kalt leuchtende Nachsommer
Adalbert Stifters Erstarrung
Komposition: Hans Ulrich Humpert
Realisation: Hans Ulrich Humpert
Thomas Mann nannte ihn einen der "merkwürdigsten, hintergründigsten, heimlich kühnsten und wunderlich packendsten Erzähler der Weltliteratur, kritisch viel zu wenig ergründet". Das Lob galt Adalbert Stifter, der vor 200 Jahren am 23. Oktober 1805 geboren wurde. Stifters 1857 erschienener Roman "Der Nachsommer" steht im Mittelpunkt eines neuen Hörstücks des Kölner Komponisten Hans Ulrich Humpert. Im "Nachsommer" präsentiert Stifter die Geschichte eines jungen Mannes, der zu vorbildlicher Menschlichkeit heranwächst und dadurch das vollkommene Glück erfährt - ein Glück, das Stifter zeitlebens verwehrt blieb. Sein depressives Zugrundegehen ist durch zahlreiche autobiographische Aussagen und Briefe dokumentiert. So wird sein Roman zur geträumten Erfüllung eines verwehrten Lebenstraumes - zur "kalt leuchtenden Idylle". Hans Ulrich Humpert macht in seinem prominent besetzten Hörfilm den Konflikt zwischen fiktivem Ideal und realer Zerstörung hörbar. Durch die Kontrapunktierung von Roman-Auszügen mit Selbstzeugnissen wird Stifters innere Zerrissenheit erfahrbar. Die zarte und durchsichtige vor allem aber außerordentlich kühle Sprache des dichterischen Ich-Erzählers trifft auf die starke Emotionalität des Autors in seinen Briefen. So wird "Dieser kalt leuchtende Nachsommer" zur mitunter beklemmenden Studie der Inkongruenz von Biographie und Fiktion.
Hans Ulrich Humpert, geboren 1940, ist Komponist und seit 1972 Leiter des Studios für elektronische Musik an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln und Professor für elektronische Komposition. Er weist eine umfangreiche kompositorische, praktische und theoretische Tätigkeit auf dem Gebiet der elektronischen sowie der live-elektronischen Musik auf. Er gab zahlreiche Konzerte, realisierte Rundfunksendungen, hielt Vorträge, schrieb Aufsätze und veröffentlichte Bücher,u.a. "Lexikon der elektronischen Musik", "Elektronische Musik - Geschichte, Technik, Kompositionen". Für das Studio Akustische Kunst realisierte er u.a. die Hörstücke "Annäherung an Francesco Petrarca" (1986), "Andromache" (1990); "Candide: unterwegs - en chemin - en el camino - away" (1995), "Wanderungen durch den Park Emscher Nord" (2000) und "Symphonie sur une vie de héros" (2003).
