ARD-Hörspieldatenbank
Ars acustica, Hörspielbearbeitung
Nadja
Ein Hörspiel der Pariser Versuchsstudios für Radiokunst und konkrete Musik nach einem Entwurf von André Breton
Sprache des Hörspiels: französisch
Vorlage: Nadja (Roman, französisch)
Bearbeitung (Wort): André Almuro
Komposition: Maurice Jarre
Regie: Jean Jacques Vierne
André Bretons „Nadja", eine Mischung aus Traktat, Tagebuch und Erzählung, erschien 1928 als Buch und gehört als solches zu den bemerkenswertesten Repräsentationen des literarischen Surrealismus. Die Titelfigur, eine junge Frau, scheint mit geheimnisvollen Mächten im Einverständnis, die sich ihrer als Medium bedienen, um dem Dichter orakelhafte Winke und Botschaften zukommen zu lassen. Merkwürdige Vorkommnisse aus dem Pariser Alltag erlangen dadurch eine tiefere Bedeutung. Das Hörspiel läßt die Gestalten des Buches in einer Tonmontage lebendig werden, die man am ehesten als ein akustisches Ballett bezeichnen könnte. (BR-Programmbroschüre 1963)
Die Erzählung "Nadja", ein Hauptwerk des französischen Surrealisten André Breton, 1928 entstanden, bildet den Ausgangspunkt des gleichnamigen Hörspiels, das im Pariser Versuchsstudio für Radiokunst aufgenommen und vom Bayerischen Rundfunk in ungekürzter Originalfassung gesendet wurde. Der Eindruck ist ungeheuer. Die beiden Medien "Surrealismus" und "Konkrete Musik", durch das elektronische Aufnahmeverfahren, eine hervorragende Regie und meisterhaften Schnitt zusammengeschmolzen, ergeben etwas völlig Neues, eine Art Hörkunstwerk, das jeder anderweitigen Fixierung durch Text oder Partitur entzogen ist. Von einer "Handlung" kann natürlich nicht gesprochen werden. Nadja ist eine Zufallsbekanntschaft des herumirrenden "Ich" (= André), die in fetzenartig aneinandergereihten Szenen bald auftaucht, bald verschwindet, orakelhafte Botschaften um sich verbreitend. Entscheidend ist die Darstellung im einzelnen. Hier konnte man einmal hören, was Perfektion, akustische und psychologische Vollendung ist. Allein das Mittel der akustischen Montage gibt unglaubliche Wirkungen her, das Übereinanderblenden verschiedenartiger Geräusche, etwa von Vogelgezwitscher und einer anfahrenden Lokomotive. Dann wieder echt surrealistische Kontrast- und Schockwirkungen, wenn ein Gespräch durch das donnernde Getöse eines Zuges oder die Ansage eines Wetterberichtes unterbrochen wird. Zu banalen Lesebuchweisheiten, wie "Paris ist eine große Stadt", hört man leises Summen von Bohrern, das Klicken von Telegraphen oder ähnliche technische Geräusche, die aber alle in ein rhythmisches, musikähnliches akustisches Geflecht eingebunden sind. Dazu wird unvorstellbar gut gesprochen (Hauptrollen: Maria Casares und Jean Marchat). Sehr westlich, sehr großstädtisch und dekadent, wenn man will; aber unabweisbar ein Stück unserer Welt. (Zeitgenössische Rezension)