ARD-Hörspieldatenbank

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Ars acustica



Gerhard Rühm

Jahrtausendwende

Ein Radiotrip durch Wahnwelten


Technische Realisierung: Daniel Velasco, Jacob Rogenroth

Regieassistenz: Nadja Reipschläger


Regie: Gerhard Rühm

Ende der 90er Jahre irritierte Gerhard Rühm "die Propagierung des Jahreswechsels 1999/2000 seitens der Medien und der Vergnügungsindustrie als spektakuläres Jahrtausendereignis". Sein Unbehagen am "täglichen Wahnsinn" in der Tagespresse setzte er schon 1976 in seinem preisgekrönten Hörspiel "Wintermärchen" in eine künstlerisch produktive Medienanalyse um. Ausgangspunkt seiner neuen Produktion sind signifikante Presseberichte aus den Tagen vor und nach der Jahreswende 1999/2000. Gehard Rühm: "Das Hörspiel 'Jahrtausendwende', ein Radiotrip durch Wahnwelten, geht auf eine konzertante Fassung mit dem Titel 'Schwellenchronik der Jahrtausendwende' zurück, die als Auftragswerk beim Steirischen Herbst Graz im Jahr 2001 uraufgeführt wurde und inzwischen auch in Buchform erschienen ist. Das Hörspiel, gegenüber der Urfassung verbal stark gekürzt, zugleich aber akustisch angereichert, hat zwei deutlich voneinander abgehobene Teile. Der erste greift Top-Nachrichten von drei Tagen der Woche vor der Jahreswende in zweistimmig rhythmisierter Verarbeitung auf, der zweite solche aus der Woche unmittelbar danach. Den sehr irdischen Berichten sind jeweils Betrachtungen aus einer himmlischen Scheinwelt, der der Engel, beigefügt. Hörspielgerecht sind diese dominierenden textlichen Kernstücke zuerst in eine Autofahrt, dann, als gewissermaßen ironische Anspielung auf die angelologischen Passagen, in eine Flugreise eingebettet. Die vor den Nachrichten erklingende Kennmelodie ist eine musikalische Transformation der Buchstabenabfolge der jeweiligen Titelzeile. Im Zentrum steht erwartungsgemäß eine kurze Geräuschsequenz eines Silvesterfeuerwerks, deren Nähe zu Kriegshandlungen anschließend drastisch hörbar gemacht wird. Angesichts der täglichen Schreckensnachrichten permanenten Wahnsinns, die uns die globale Medienvernetzung anschwemmt, muss man sich fragen, ob ein Jahres- oder gar Jahrtausendwechsel wirklich so ein spektakuläres Ereignis ist, wie uns die allgemeine Aufgeregtheit darüber weismachen will. Die Welt geht weder aufgrund eines besonderen Datums unter noch bringt ein Jahreswechsel im Fluss der Zeit eine einschneidende Zäsur, wie ja auch der Alterungsprozess sich nicht in Geburtstagssprüngen vollzieht."

Gerhard Rühm, geboren 1930, ist Exponent der internationalen konkreten Poesie, der Lautdichtung und einer der produktivsten Realisatoren des Neuen Hörspiels. Er ist Komponist und bildender Künstler sowie Mitbegründer der legendären avantgardistischen "Wiener Gruppe". Seine Werke wurden mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Österreichischen Würdigungspreis für Literatur, dem Preis der Stadt Wien, dem Karl-Sczuka-Preis, dem Hörspielpreis der Kriegsblinden, dem Großen Österreichischen Staatspreis. Für das Studio Akustische Kunst realisierte er über zehn Hörstücke und Klangkompositionen, u.a. "Ophelia und die Wörter", "Wintermärchen", "Wald", "Ein deutsches Requiem" und "damentennis".

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Mitwirkende

Sprecher/Sprecherin
Monika Lichtenfeld
Gerhard Rühm

Musik: Christina Hackelöer (Sologesang), Brigitta Borchers (Sologesang), Sybille Hummel (Sologesang)

 


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Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Westdeutscher Rundfunk / Österreichischer Rundfunk 2005

Erstsendung: 07.01.2006 | 35'19

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