ARD-Hörspieldatenbank

Ars acustica



Ulrich Bassenge

musaeum clausum


Redaktion: Katarina Agathos


Regie: Ulrich Bassenge

Als einer der letzten Menschen, die alles wussten (wie sonst nur noch sein Zeitgenosse Athanasius Kircher) notiert Sir Thomas Browne (1605-1682) in einem nachgelassenen Text die Desiderata eines imaginären Museums. Er wünscht sich ein verschollenes Ovid-Gedicht ebenso wie ein (nie erschaffenes) Gemälde eines "Elefanten auf dem Hochseil - geritten von einem Neger-Zwerg", ein Kruzifix aus Froschknochen oder ein Straußenei, bemalt mit einem Bild der Schlacht von Alcazar, in der drei Könige das Leben verloren. Vieles in dieser Liste sei verschollen, verloren, verbrannt, geraubt, verkauft, fragmentiert ... ist die erträumte Wunderkammer des britischen Universalgelehrten ein gelehrter Witz oder eine Utopie? Brownes virtuelles Museum ist nicht das erste seiner Art (bereits ein Jahrhundert zuvor parodierte Rabelais eine imaginäre Bibliothek), aber eines der sprachmächtigsten. Wie kein anderer steht dieser kolossale Text mit seinen eigentümlichen Vernetzungen für die verlorene Zeit, in der Wissen, Glauben, Kunst und Einbildungskraft wie selbstverständlich in eines zusammenflossen. Noch nicht aufgerissen scheint der Graben zwischen Information und Wissen, jene Wunde unserer Tage. Ulrich Bassenge exploriert mit Browne den Verlust universaler Bildung im Zeitalter des Internet. Er setzt das von W.G. Sebald beschriebene "Gefühl der Levitation", den "gefahrvollen Höhenflug der Sprache" in der Prosa des großen englischen Stilisten mit musikalischen Mitteln um. Ein broken consort aus Traversflöte, Gambe und Schlagwerk streift durch Klänge und Figuren des 17. Jahrhunderts, die mit elektroakustischen Mitteln seziert, vergrößert, modifiziert werden. So entsteht eine unvollständige Geschichte des Sammelns, ein Requiem auf die Gelehrsamkeit. "Wer weiß, wo alle diese Schätze sich jetzt befinden, ist ein großer Apollo. Ich bin sicher, dass ich ein solcher nicht bin."

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Mitwirkende

Sprecher/Sprecherin
Michael Habeck
Matthew Rouse

Sonstige MitwirkendeFunktion
Michael GerlachTontechnik

Musik: Wolfgang Roth (Flöte; Kontraaltklarinette), Georg Karger (Viola da gamba; Kontrabass), Yogo Pausch (Schlagwerk; Shrutibox), Ulrich Bassenge (Elektronische Klangerzeugung)

 

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 2010

Erstsendung: 16.07.2010 | 20:30 Uhr | 47'36

Darstellung: