ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Der gute Richter
Technische Realisierung: Werner Klein, Rosel Wack-Becker
Regieassistenz: Stefan Dutt
Regie: Wolfgang Schenck
RICHTER: Es wäre schade um den Burschen. Gebaut wie ein Ochse, aber auch nicht viel gescheiter, Einzelkind, und die Mutter mußte dem Vater beim Sterben versprechen, daß der Bub auch allezeit die Wahrheit sagt. Aber der Bub hat auch andere Bedürfnisse, und als die Mutter im Frauenkreis die Bibel deutet, geht er zur schönen Francesca. Die gibt ihm einen Zungenkuß, macht ihm den Hosenladen auf, worauf er sie erwürgt. FREUND: Verrückt! RICHTER: Anschließend geht er zur Polizei und sagt: 'Ich hab' sie totgemacht und hab's auch wollen tun.' FREUND: Ist denn sowas ein Mord? RICHTER: Wenn er's herbeiredet. FREUND: Da komm' ich nicht mit. RICHTER: Juristisch kann diese Tat alles mögliche sein, im günstigsten Fall Körperverletzung mit Todesfolge, das gibt etwa fünf Jahre; Totschlag etwa zehn Jahre oder Mord, dafür gibt's lebenslang. Der Bereitschaftsrichter ist in keiner beneidenswerten Lage. Er könnte es sich "sehr-sehr einfach machen: das Polizeiprotokoll verlesen, zwei Sätze diktieren: 'Die Aussage entspricht in allen Punkten der Wahrheit'." Aber wäre das die Wahrheit, die den psychologischen Tatbeständen entspräche? Was tun? Zelters Diskussions-Hörspiel könnte zur Sensibilisierung des Gewissens beim Hörer, bei Richtern und Gesetzgeber beitragen.