ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Etagenhaus
Regie: Franz Joseph Engel
"Das Etagenhaus" ist ein Hörspiel, eine Arbeit also, die — für den Rundfunk geschrieben — seinen Bedingungen und Möglichkeiten gerecht zu werden sucht. Noch haftet diesem, wie den meisten in den letzten Jahren erschienenen Hörspielen, etwas Improvisiertes, man könnte sagen: Feuilletonisches an; noch traut man scheinbar dieser neuen Form die Tragfähigkeit nicht zu, die Voraussetzung großer, mitreißender — tragischer wie komischer — Schicksalsgestaltung ist. Die beruhigende und ermutigende Sicherheit der theatralischen Überlieferung fehlt, man wagt Wesentliches dieser vorläufug nur erahnten Form nicht anzuvertrauen. Aber schon die ersten, spielenden Ansätze verlangen unsere volle Aufmerksamkeit. Der bescheidene, ein wenig träumerische Schriftsteller Tänzer wird von der Redaktion einer großen Tageszeitung als Mitarbeiter abgelehnt, weil er nach der — nicht irrigen — Ansicht des Redakteurs seine versonnenen Schilderungen ("Abend an der Elbe" und dergleichen mehr) dem Geschmack des Zeitungslesers von heute nicht entsprechen. Man lehnt die Reflexion ab, verlangt Tatsachen; statt lyrischer Erlebnisschilderungen den sachlichen Bericht, der die großen und verwickelten Zusammenhänge erkennen lasse. Tänzer entschließt sich rasch; durchforscht als "stellungsloser Kaufmann" ein Etagenhaus: blickt in fremde Stuben, fremde Schicksale, wird in fremdes Leid hineingerissen. Ein Zug seltsamer, kummervoller und verkümmerter, ringender und verzichtender Menschen wandelt an uns, den Hörern, vorüber. Überall Leid, einzig mögliches Glück: seine Überwindung. Vor dieser Vielfalt menschlichen Leides verstummt das kleine persönliche Ungemach Tänzers; geduldig und beinahe ein wenig lächelnd schließt er sich dem Zuge an. (Dr. F.J.E.: Die Schlesische Funkstunde. Heft 22. 31. Mai 1929. S. 13)