ARD-Hörspieldatenbank

Hörspielbearbeitung



Virginia Woolf

Orlando (2. Teil)

Eine Biographie


Vorlage: Orlando (Roman, englisch)

Übersetzung: Gaby Hartel

Bearbeitung (Wort): Gaby Hartel

Komposition: Ulrike Haage

Redaktion: Katarina Agathos

Technische Realisierung: Marcus Huber, Susanne Herzig

Regieassistenz: Stefanie Ramb


Regie: Katja Langenbach

„Ich will die Biographie über Nacht revolutionieren!“ notierte sich Virginia Woolf spät im Jahr 1927 euphorisch ins Tagebuch und der Funke war gezündet. Begeistert stürzte sie sich in das „Projekt Orlando“, das zum „Rückgrat ihres Herbstes“ wurde, ein Buch, das sie leichthändig „vor dem Abendessen schreiben“ konnte. Es machte ihr unendlich viel Spaß! Den Lesern übrigens auch, wie die Verkaufszahlen der ersten drei Wochen zeigten, die selbst die kühnsten Erwartungen übertrafen. Orlando war von Anfang an Legende. Was die energetische Dynamik anging, war dieses Buch ein Glücksfall für Woolf. Zwar floss bei dieser Autorin immer Privates mit Beruflichem zusammen, doch jetzt war sie angefeuert von der engen Beziehung, Begeisterung und Liebe zu einer schillernden Abenteurerin, der adeligen Vita Sackville-West. Als schönsten Liebesbrief der Literaturgeschichte hat man Orlando bezeichnet. Und sicher: Sackville-West stand ihrer Freundin in vielem Modell für diese Fantasie. Fakten wurden mit Fiktivem vermischt, zu symbolischen Szenen verdichtet, mit Goldstaub überzogen.

Trotzdem greift die Beschreibung vom Liebesbrief zu kurz. Denn vor allem gelang es Woolf hier unaufgeregt und verspielt, gesellschaftspolitisch und kulturhistorisch relevante Themen aufzugreifen. Die Stellung der Frau, die Aggression des Empire, die rückwirkende Deutung von Geschichte aus machtpolitischen Gründen. Alles, was Virginia Woolf als Denkerin ausmacht, finden wir hier. Scheinbar Unverrückbares wird funkelnd und satirisch zugleich demontiert: Stand, Status, Geschlecht und Geschichtsschreibung, Macht, Posen und Konventionen. Besonders viel Sorgfalt verwendet Woolf auf die Darstellung der Relativität von Zeit und Begebenheit.

Neben ihrer Begeisterung für Sackville-Wests Person, behandelt Orlando eine weitere Leidenschaft Woolfs: ihre Liebe zur Biographie als Genre. Als Leserin verschlang sie diese Bücher und reflektierte in ihren Notizen über die Form. Woher kam der oft anmaßende, allwissende Ton der Autoren? Woher der Glaube, die Figur so gut fassen zu können? Wieso erfahren wir oft mehr über Zeit und Moral des Biographen, als über die Person, die zur Debatte steht? Wieso erstickte oft eine buchhalterische Sprache jedes Gefühl für einen Menschen, der vor langer Zeit sehr lebendig war. Und, ganz zentral: wer legt eigentlich fest, dass Phantasie und Dichtung in einer Biographie nichts zu suchen haben. Woolf selbst gibt in Orlando vielen Positionen eine Stimme.

Virginia Woolf, geb. 1882 in London, war Autorin und Verlegerin. Bereits durch den Vater Sir Leslie Stephen, Biograph und Kritiker, der freundschaftliche Beziehungen zu fast allen großen Schriftstellern des viktorianischen England unterhält, hatte sie früh Kontakt mit Literatur und dem Literaturbetrieb. Sie beginnt ihre Autorentätigkeit als Mitarbeiterin für die literarische Beilage der Times, die sie bis zu ihrem Tode beibehielt. Immer wieder leidet sie an Depressionen. 1912 heiratet sie den Journalisten und politischen Schriftsteller Leonard Woolf. In dem Haus am Fitzroy Square 29 in London entsteht die sogenannte "Bloomsbury-Gruppe", der bedeutende Schriftsteller wie Desmond MacCarthy, Charles Tennyson, Clive Bell, Lytton Strachey, Raymond Mortimer, Hilton Young und John Maynard angehören. 1913 unternimmt sie einen ersten Selbstmordversuch. 1915 gibt sie ihr Romandebüt mit "The Voyage Out" (Die Fahrt hinaus). 1917 gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann den Verlag "Hogarth Press", mit der Spezialisierung auf moderne Literatur aus England, den USA und Russland. 1919 Erwirbt sie das "Monk's House" in Rodmell (Sussex), sie hält sich abwechselnd in London und Sussex auf. 1922 beginnt sie  eine enge Beziehung zur Schriftstellerin Vita Sackville-West. Sie veröffentlicht zahlreiche Erzählungen, Romane und Essays. Ende der 1920er Jahre ist sie eine erfolgreiche und international anerkannte Schriftstellerin. 1939 wird "Monk's House" ihr fester Wohnsitz. 1941 erleidet sie erneut tiefe Depressionen. Aus Furcht vor neuen Nervenzusammenbrüchen ertränkt sie sich am 28.03.1941 in Rodmell.

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Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Gabriel RaabOrlando
Vera WeisbrodAutorin
Wiebke PulsBiograph
Paul HerwigBiograph
Brigitte Hobmeier
Michaela Steiger
Fabian Gröver
Hans Kremer


Bei den Aufnahmen des Hörspiels "Orlando" von Virginia Woolf im Studio 10: Fabian Gröver in der Rolle der Männerstimme 1 | Bild: BR/Ute Blasius

Bei den Aufnahmen des Hörspiels "Orlando" von Virginia Woolf im Studio 10: Fabian Gröver in der Rolle der Männerstimme 1 | Bild: BR/Ute Blasius

Bei den Aufnahmen des Hörspiels "Orlando" von Virginia Woolf im Studio 10: Fabian Gröver in der Rolle der Männerstimme 1 | Bild: BR/Ute Blasius
Brigitte Hobmeier in der Rolle der Frauenstimme 1 | Bild: BR/Ulrike Kreutzer
Wiebke Puls in der Rolle der Biographin | Bild: BR/Ulrike Kreutzer
Gabriel Raab in der Rolle des Orlando als Mann | Bild: BR/Ulrike Kreutzer
Michaela Steiger in der Rolle der Frauenstimme 2 | Bild: BR/Ute Blasius
Vera Weisbrod in der Rolle der Autorin) | Bild: BR/Ulrike Kreutzer

Vera Weisbrod in der Rolle der Autorin)
Bild: BR/Ulrike KreutzerVera Weisbrod in der Rolle der Autorin)
Bild: BR/Ulrike Kreutzer



PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Bayerischer Rundfunk 2013

Erstsendung: 21.07.2013 | 48'58


VERÖFFENTLICHUNGEN

  • CD-Edition: Der Hörverlag 2014


AUSZEICHNUNGEN


REZENSIONEN

  • Christian Deutschmann: Eindruck des Schwebens. In: epd Medien. 19.07.2013. S. 33.
  • Norbert Schachtsiek-Freitag: Androgyn auf Zeitreise. In: Funk-Korrespondenz. 06.09.2013. S. 29.
  • Jens Bisky: Heiter schweben. In: Süddeutsche Zeitung. 10.06.2014. S. 14 (zur CD-Edition)

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