ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Hurricane - oder: Die Nachrichten aus der Gesellschaft
Eine Radioerzählung
Technische Realisierung: Udo Schuster
Regie: Harald Körner
"Dies ist der Anfang eines Romans, der vor längerer Zeit auf Seite 114 steckengeblieben ist. Er wird nicht fortgesetzt werden. Beabsichtigt war die Biografie eines Hurricanes. Da der Autor nicht vorgeben wollte zu kennen, was natürlicherweise niemand kennen kann, den Ablauf einer historischen Katastrophe nämlich, deren Zeugen entweder umkamen oder zu ihren Lebzeiten fast vollständig geschwiegen haben, und ihm die katastrophale Totale auf der anderen Seite von allzu phantastischem Umfang gewesen zu sein schien, als daß freie Erfindung sie hätte erreichen können, ohne auf alle Glaubhaftigkeit zu verzichten, experimentierte er mit einer (offen als solcher deklarierten) Fiktion auf statistischem Grundriß. Obwohl dieser dem in seiner physikalischen Konstruktion wie in den Dimensionen durchaus nachprüfbaren Ereignis in allen Stücken entsprach, scheiterte der Versuch auf halbem Wege. Ohne die Frage zu berühren, ob aus Fiktion möglicherweise Wirklichkeit werden kann, zeigte sich, daß die Wirklichkeit in der Fiktion ohne Beweiskraft ist. Der Autor überschätzt das Interesse des Hörers an einem bloß literarischen Schiffbruch nicht. Er hat daher aus den vorhandenen Romankapiteln solche Stücke herausgezogen, die sich ihm zu einer plausiblen Geschichte zu realisieren scheinen: Um sein spekulatives Szenarium zu besetzen, hatte er sich einen Mann erfunden, eine Art Zwischenträger der Erzählung, der - selber erst in der historischen Sturmnacht auf den Bermuden geboren - "erinnern" sollte, was er gar nicht miterlebt hatte, die Umstände einiger Untergänge nämlich, die sich grad in jener Nacht ereignet hatten. Seine Kindermagd hat ihm später einmal von sieben Ertrunkenen erzählt, die sie drei Tage nach seiner Geburt am Strande von St. David's habe liegen sehen. Besessen von der Idee, sich der sieben Opfer des Orkans aus ihrer bloßen Beschreibung heraus ganz bedienen zu können, setzt der sonderbare Rechercheur sie, indem er sie - offenbar jahrelang - immer wieder zu einem imaginären Verhör "zusammenruft", ein zweites Mal der Wut des Sturms aus, in der Hoffnung, aus ihrem Verhalten und Versagen in der Repetition über alles Errechenbare hinaus Aufschlüsse auch über die geheim-persönliche Übermacht der Katastrophe zu erhalten, die seiner Geburtsstadt mitgespielt hat." (Ernst Schnabel)
