ARD-Hörspieldatenbank

1

Sendespiel (Hörspielbearbeitung)



Alfred Brust

Südseespiel

Uraufführung


Vorlage: Südseespiel. [Der exotischen Kulturspiele erstes Stück] (Theaterstück)

Kommentar: Hans Peter Schmiedel

Komposition: Gerhard Maaß


Regie: Richard Weichert

"Es soll von vornherein zugegeben werden, daß die eigenartige, eigenwillige Kunst- und Lebensauffassung, auf der das Schaffen Alfred Brusts (geb. 1891) sich aufbaut, nur einem begrenzten Kreise unserer Hörerschaft voll und ganz zugänglich sein wird. [...] Und andererseits kann der Rundfunk nicht auf die Dauer an der Persönlichkeit eines Schriftstellers vorübergehen, der - ganz abgesehen von seiner anerkanntermaßen sehr hoch einzuschätzenden Bedeutung für die ostpreußische Heimatdichtung - im gesamten deutschen Sprachgebiet sich eine Gemeinde aufrichtiger Anhänger erworben hat. Das Sinnbild, Gleichnis, Symbol beherrscht den Inhalt von Brusts absichtlich wirklichkeitsfremder Kunst, beherrscht auch in eigenartiger Weise die äußere Form seines Daseins. [...] Gegenwartskultur und Nachklänge der urtümlichen litauischen Wesensart, westeuropäische und östliche, russisch-asiatische Seelenhaltung überschneiden und mischen sich in seinem Schaffen in einer Weise, die wir wohl bei keinem deutschen Dichter der Gegenwart sonst wiederfinden. Ein Hauptproblem seines Schaffens ist der Sinngehalt der religiösen Weltanschauungen, die den großen Kulturen des Ostens und Westens zugrunde liegen: der russischen und der katholischen sowie ihres Widerspiels: des Luthertums in erster Linie. Dabei ist er allein dem Sinngehalt dieser Religionen zugewendet; die geschichtlich gewordene Ausprägung in den verschiedenen Kirchenorganisationen interessiert ihn kaum. In den beiden "exotischen Kulturspielen" sucht er zu dem tiefsten Urquell alles echten gefühlshaft-religiösen Erlebens selbst vorzudringen. Die Auseinandersetzung mit weltanschaulichen Fragen ist bei Brust eng verflochten mit den Problemen des Liebeslebens, also kurz gesagt: der "Erotik" - nur dürfen wir darunter in seinem Sinne nichts verstehen, das irgendwelche Ähnlichkeit mit Spiel oder bloßem Genuß aufweist. Im Gegenteil: seine Lebensauffassung sucht auf diesem Felde den Anschluß an die Lebensformen "primitiver", naturnaher Völker, denen die Liebesbeziehung noch ein magisches "Ritual", eine Art von Gottesdienst also, bedeutet. Daraus begreift es sich auch, daß der Schauplatz des ersten der exotischen Spiele nach dem Traumlande so vieler europäischer Dichter: der Südsee, verlegt ist. Denn diese mit tiefernsten philosophischen Überlegungen beschäftigten Südsee-Insulaner - "es gibt nichts Schlechtes; es gibt nur Notwendiges!" verkündet der "Bildschnitzer", die Verkörperung künstlerischer Weltauffassung -, diese "Primitiven" entsprechen natürlich in keiner Weise dem Bilde, das wir von der wissenschaftlichen Völkerkunde her kennen. Auch das phantastische "Indien" im zweiten Spiel hat keine Ähnlichkeit mit der indischen Hochkultur (obgleich von Buddha gesprochen wird), sondern allenfalls mit der sagenhaften Urzeit, deren fernen Abglanz wir aus den heiligen Liedern des Rigveda zu erspüren vermögen. Aber - es wurde ja oben schon zum Ausdruck gebracht: Auf Abschilderung alltäglicher Wirklichkeit kommt es diesem Dichter niemals an; in den beiden exotischen Spielen bewegt er sich sogar ganz absichtlich in einem allein aus freier künstlerischer Phantasie heraus erschaffenen Reiche des Erlebens. Vor dem "Indischen Spiel" findet sich die seltsame Angabe: "Schauplatz: Die wandernde Zeit." Man kommt daher diesen beiden exotischen Spielen am ehesten nahe, wenn man sie als mit weltanschaulichem Sinngehalt erfüllte Traumvisionen betrachtet. Genau wie im Traum mit seinem schroffen Wechsel der Bilder verzichtet Brust im "Indischen Spiel" darauf, sich irgendwie an die Gesetze wirklichen Geschehens zu binden. So begleiten wir z.B. im "Indischen Spiel" den jugendlichen Priester Vaddasin und seine Geliebte Sananasani von der Geburt an bis zu ihrem frühen Tod. Das Stück gibt mit sicherer Einfühlung die merkwürdige Konzentration - "Verdichtung" nennt es die Wissenschaft - gewisser Traumformen wieder, die wir aus den neueren Forschungen über das Traumleben kennen. In diesem Sinne ist es also doch wieder geradezu "realistisch": es bildet bestimmte Wirklichkeiten des rein seelischen Erlebens ab. [...] Das Sonderproblem, daß bei Brust in seinen Auseinandersetzungen mit weltanschaulichen Dingen immer wieder [...] heraustritt, das ist der Zwiespalt zwischen geistigem Streben und erotischer Triebhaftigkeit. Er ist am markantesten in seinem Schauspiel "Der singende Fisch" gestaltet, das vor einigen Jahren in Leipzig aufgeführt wurde und die Teilnahme der Öffentlichkeit in beträchtlichem Maße erregte. Der Gedanke, daß der geistig strebende Mensch entsagen, in die völlige Einsamkeit sich zurückziehen müsse, kommt auch in den beiden "exotischen Spielen" klar zum Ausdruck, besonders im "Indischen Spiel". Nach drei Jahren glücklicher Liebesvereinigung muß Vaddasin die Geliebte verlassen: "Mich ruft das All in die Einsamkeit." Sie geht daran zugrunde; aber er folgt ihr nach. [...] Dinge, und Erscheinungen des sichtbaren Lebens wie auch ihre Gestaltung im Kunstwerk sind ihm [Brust] gleichsam nur Abbilder eines Unsichtbaren, sie weisen hin auf eine "metaphysische" Grundlage des Weltgeschehens, die zwar dem klaren Verstandserkennen nicht zugänglich ist, aber in den Symbolen und Gleichnissen der großen Kunstwerke ahnend erfühlt werden kann. [...] Nicht alle Dichtungen Brusts zeigen jene Übersteigerung des Traumhaften in so hohem Maße wie die "Exotischen Kulturspiele"." (Die Mirag, 6. Jg., Nr. 37 vom 14. September 1929, S. 6)

"Der Gastregisseur vorm Mikrophon // In Leipzig inszenierte Richard Weichert die Uraufführung zweier exotischer Kulturspiele von Alfred Brust. Die Szenen sind so, wie sie geschrieben stehen, noch von vielem Sichtbaren abhängig. In ihrer gedanklichen Struktur jedoch enthalten sie unbedingt starke, entwicklungsfähige funkische Keime. Deshalb ist zu bedauern, daß nicht einer der ausschließlich funkisch denkenden und funkerprobten Spielleiter mit dieser Regieaufgabe betraut wurde. Weichert hat in unübertrefflicher Weise verstanden, die einzelnen Rollen zu gestalten. Er hat dies aber eben doch nur insoweit tun können, als es auch ohne die akustischen Möglichkeiten, die das Mikrophon dem sprachlichen Schaffen bietet, geschehen konnte. Das Hörspiel, das für den Funkregisseur ohne besondere Schwierigkeit zu schaffen gewesen wäre, kam nicht zustande. Es blieb auf der Stufe des Sendespiels. Es ist vielleicht gut, ausgesprochene Wortregisseure auch einmal für den Funk zu gewinnen. Mann soll ihnen dann aber auch Dinge geben, für die das Problem des arteigenen Kunstwerks nicht existiert. Im übrigen meine ich, daß vor allem durch den Austausch von Funkspielleitern viel zu gewinnen wäre. Neubeck hat für Leipzig auch diesen Gedanken schon in Betracht gezogen. Hoffentlich liegt seine Verwirklichung recht nahe. Die Musik, die Gerhard Maaß beigesteuert hatte, war bei aller Bescheidenheit und Zurückhaltung so charakteristisch, daß ihr ein ganz wesentlicher Teil am Erfolg, am funkischen Erfolg sogar ein überwiegender, zuzusprechen ist." (Deutscher Rundfunk, 7. Jg., Heft 39 vom 27. September 1929, S.1256/57)

"In diesem Liebes- und Ehedrama, das unter Papuas spielt, wird ein uneheliches Kind den Göttern geopfert. Ein greiser Priester begründet die Notwendigkeit der Opferung und erklärt, daß nichts gut und nichts böse sei." (Die Sendung, 6. Jg., Nr. 37 vom 13. September 1929, S. 70)

A
A

Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Martina Otto-MorgensternTipetepak
Ernst SattlerKamba
Siegmund SkraupBurubu
Josef KrahéDer Märchenerzähler
Hans Zeise-GöttDer Bildschnitzer
Sascha AlexandraWila

Sonstige MitwirkendeFunktion
N. N.Volk

Musikalische Leitung: Wilhelm Rettich


 


1

Hörspiel historisch (vor 1933) - © DRA/Hanni Forrer


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

MIRAG - Mitteldeutsche Rundfunk AG (Leipzig) 1929

Zwei exotische Kulturspiele

Erstsendung: 16.09.1929


Livesendung ohne Aufzeichnung


Grundlage der Datenerhebung: Der Deutsche Rundfunk (Programmzeitschrift); Die Sendung (Programmzeitschrift)


Darstellung: