ARD-Hörspieldatenbank
Hörspiel
Materialien zum Studium religiösen Verhaltens (2. Teil: Der Vater)
Regie: Peter Michel Ladiges
"Sprünge, Widersprüche, das Unzusammenhängende nicht kitten, sondern Teile unverbunden nebeneinander bestehen lassen" - wie schon in dem im letzten Halbjahr gesendeten "Silbergarten", so folgt Hubert Fichte auch in "Der Vater", dem zweiten Teil seiner Trilogie "Zum Studium des religiösen Verhaltens", dieser seinem Roman "Versuch über die Pubertät" (1974) entnommenen Maxime. In einem mehr assoziativen als chronologischen Monolog erzählt Wilma, eine 22jährige brasilianische Negerin, ihr bisheriges Leben: die ganz unter den gewalttätigen Ehekonflikten der Eltern stehende Jugend, das Leben mit der Mutter und den Geschwistern und die Bedrohung durch den von ihnen getrennten Vater, die schon im Kindesalter begonnene Karriere in verschiedenen Berufen, schließlich die Versuche als Aktmodell und das erotische Verhältnis zu dem viel älteren Fotografen. Zur afro-amerikanischen Religion findet Wilma erst sehr spät; als sie aus einer psychischen Krise nicht mehr herauskommt, wagt sie als letzten Versuch den Weg zu einem barbarischen religiösen Kult, der ihr schließlich zu einem sehr unsicheren psychischen Gleichgewicht verhilft. Hubert Fichte, geboren 1935 in Perleberg/ Westprignitz, war nach Schauspielversuchen Schafhirte in der Provence, später Landwirt, bis er sich 1963 in Hamburg als freier Schriftsteller niederließ. Zwischen 1971 und 1975 hielt er sich zu anthropologischen Studienzwecken in Bahia, Haiti und Trinidad auf. Aufbauend auf diesen Studien beschäftigt er sich seitdem, neben seinen Beobachtungen von gesellschaftlichen Randgebieten wie dem St.-Pauli-Milieu in dem Roman "Wolli Indienfahrer" (1978), vor allem mit den afro-amerikanischen Religionen.
