ARD-Hörspieldatenbank
Hörspiel
Piranesi oder Der Quälgeist
Technische Realisierung: Heike Weyh, Anne Anderer
Regieassistenz: Claus Lüpkes
Regie: Hans Gerd Krogmann
Ein Vexierspiel, in dem es um das Erzählen und das Vergessen geht. Vier Stimmen spinnen hier ihre Erzählfäden, und die Textur, die dabei gewoben wird, folgt keinem erwarteten Muster. Ein namenloser Schriftsteller unseres Jahrhunderts ist der Ich-Erzähler, der an Schlaflosigkeit leidet und von seinen Erinnerungen heimgesucht wird. Nicht unschuldig daran ist sein Papagei Orinoco, der vor dem Einschlafen Geschichten erzählt haben will und sie dann wiederholt - bis sein Besitzer nicht mehr weiß, wer spricht. Zu dessen Erinnerungen gehört eine Geschichte, die ihm auf dem Flughafen ein russischer Kollege aus dem letzten Jahrhundert erzählt hat: Vladimir Fedorovic Odoevskij, der nämlich meint, daß "eine Geschichte nur dazu da sei, um weitererzählt zu werden, weil sie sonst vertrockne, eingehe..., weil es eben auf die Verwandlung ankomme, die Verwandlung durchs Weitererzählen". Vom Besuch bei einem Antiquar erzählt ihm Odoevskij, bei dem er sich in einen Folianten mit Bildern von gigantischen Kerkern und Bauwerken vertieft habe: die "Opere del Cavaliere Giambattista Piranesi". Als er das Buch erschrocken zugeschlag habe, sei der Urheber jener Kerker-Phantasien vor ihm gestanden, den sein "verfluchtes Buch" nicht habe sterben lassen. Für den Architekten und Kupferstecher Piranesi war dieses Buch die Rache an seinem Jahrhundert, das ihn seine großen Baupläne nicht realisieren ließ. Das Buch, buchstäblich ein Gefängnis seiner Phantasie, ist längst zu seinem Quälgeist geworden - wie alle Bücher, die ihre Autoren nicht schlafen und nicht sterben lassen. Quälgeister, die sich vermehren; denn was einmal in Büchern steht, kann nicht nicht mehr vergessen werden.