ARD-Hörspieldatenbank
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Feature
Mit Lebenslänglich hatten wir gerechnet (Langfassung)
Eine Altenburger Abiturklasse in den Mühlen der sowjetischen Justiz
Komposition: Hans-Christian Bartel
Technische Realisierung: Holger König, Hans-Peter Ruhnert
Regieassistenz: Matthias Seymer
Regie: Sabine Ranzinger
In den Abendstunden des 21. Dezember 1949 ereignete sich in der thüringischen Stadt Altenburg ein Vorfall, der sowohl die russischen als auch die deutschen Sicherheitskräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzte. Während der Übertragung von Wilhelm Piecks Rede anlässlich des 70. Geburtstags Stalins, meldete sich plötzlich eine Stimme: "Stalin ist ein Diktator und Massenmörder! ..."- Die Initiatoren der Störsendung waren vier Abiturienten der Altenburger Karl-Marx-Schule. Wochenlang hatten sie an einem Sender gebastelt, Dutzende Meter Antennendraht auf dem Dach eines Mietshauses gezogen und waren, pünktlich zur Festansprache Wilhelm Piecks, auf Sendung gegangen. Ein Unternehmen, das beispiellos ist in der Geschichte des Widerstandes in der DDR. Die vier Abiturienten gehörten dem sogenannten "Altenburger Kreis" an. Sie verfassten Flugblätter und versahen öffentliche Gebäude mit einem "F", dem Kürzel für "Freiheit". Im Mittelpunkt der Gruppe stand der Schüler Joachim Näther, knapp 18 Jahre alt, Verfasser kritischer Gedichte und Prosastücke. Die Radiosendung zu Stalins Geburtstag markiert Höhepunkt und Ende der Widerstandsaktionen. Aufgrund bis heute nicht genau geklärter Umstände, vermutlich aufgrund eines Verrates, wurden die Mitglieder der Gruppe drei Monate nach der Sendung verhaftet. Nach sechswöchiger Untersuchungshaft wurden sie von einem russischen Militärgericht verurteilt: vier der 18- bzw. 19-jährigen Angeklagten, unter ihnen auch Joachim Näther, zum Tode, die anderen zu langen Zuchthausstrafen. Erst jetzt konnte das Schicksal der zum Tode verurteilten Altenburger Schüler aufgrund von Akten aus russischen Militärarchiven aufgeklärt werden. Nach der Urteilsverkündung waren sie nach Moskau gebracht und in der Moskauer Ljubjanka erschossen worden. Der Autor hat zwei der überlebenden Radiobetreiber des Jahres 1949 sowie ihre Mitschüler - unter ihnen auch DEFA-Regisseur Frank Beyer - ausfindig gemacht und nach ihren Erinnerungen befragt.