ARD-Hörspieldatenbank

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Ars acustica



Michael Rüsenberg

Stolen Moments: Zur Kunst des Klangdiebstahls bei John Wall und John Oswald



Realisation: Michael Rüsenberg

"John Oswald ist ein Dieb", sagt David Harrington vom Kronos Quartett ... und lacht sich eins. Mehr als einmal nämlich haben sich die fab four der Kammermusik unter das Seziermesser seiner Montagekunst begeben. Denn dass John Oswald aus Toronto ein Künstler ist, ein großer Künstler gar, das werden die meisten derer bestätigen, welche die Resultate seiner Diebestouren gehört haben, die von ihm so genannten "plunderphonics". Für Oswald existiert kein "finished product"; er führt vor, wie das, was wir kennen, auch klingen könnte. Dabei darf man ihn nicht mit einem DJ verwechseln, er war früher da als jeder Techo-Mann; von Tempospielereien bis zu Sturmböen aus Klangpartikeln beherrscht er ein Arsenal unterschiedlicher Collagetechniken, auch vor dem Aufkommen des Computers waren ihm die klassisch-analogen Techniken der musique concrète vertraut. Versteht sich, dass Oswalds Klangwelt mitunter mit dem Urheberrecht kollidiert. Inzwischen liegen seine Arbeiten von 1969 bis 1996 in einer Neu-Edition vor: 60 tracks, die einem den Kopf verdrehen. Auch John Wall aus London bliebe ohne seine Quellen stumm, auch er benennt sie brav, hauptsächlich die europäische Avantgarde aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Aber selbst die Bestohlenen werden sich nicht wiedererkennen, tauchen sie bei ihm doch nur in pulverisierter Form wieder auf. Im Gegensatz zu der von Oswald ist die Klangkunst des John Wall abstrakt, sie legt es nicht auf Wiedererkennbarkeit an, sondern besticht durch eine geradezu besessene Arbeit an der Dramatik eines jeden einzelnen Klanges.

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Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Westdeutscher Rundfunk 2002

Erstsendung: 02.03.2002 | 54'34

Darstellung: