ARD-Hörspieldatenbank
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Originalhörspiel
Orientierung im Gelände
Technische Realisierung: Martín, Arnold
Regie: Götz Naleppa
Hier treffen sich Vertreter von Wirtschaft und Politik zu einer Tagung Das austauschbare Ritual, das Gefüge aus Macht und Eitelkeit, das Kalkül und die Klischees auf solchen Veranstaltungen werden auf zugleich erheiternde und erschreckende Weise sichtbar. Aber Krafts Kritik ist nicht einseitig, auch der Kritiker, der die Tagung vorzeitig verläßt, wird kritisiert: Seine linke Nostalgie und sein Selbstmitleid aus Handlungsunfähigkeit werden entlarvt im Zusammentreffen mit einem jüngeren Mädchen, das den Mut hat, ihre lebensbejahende Naivität seinem bequemen Zynismus entgegenzustellen. "Was tut man denn im Grunde? Man versucht, den allgemeinen, den öffentlichen Zynismus mit seinem selbstgemachten zu kontern. Warum? Weil man nicht über so viel Doofheit verfügt, daß man den öffentlichen nicht mitkriegt. Das wär natürlich bequemer. Und Sie nehmen mir den selbstgemachten nicht ab. Das ist schon die ganze Geschichte. Und deshalb steh' ich da mit nix in der Hand". Orientierung im Gelände" ist auch ein Stück über gesellschaftliche Moral. Der einzige Referent auf der Tagung, der dafür vehement eintritt, erscheint in diesem Teilnehmerkreis als komische oder gefährliche Figur. "Viele Leute denken, die Politik ist unmoralisch. Kann sie gar nicht sein. Da könnten Sie genausogut sagen, die Datenverarbeitung ist unmoralisch. Hat überhaupt nichts miteinander zu tun. Das wäre ungefähr so, als wenn Sie von einer Aktiengesellschaft verlangen, daß sie ihre Geschäfte auf der Basis der Nächstenliebe abwickelt. Falsche Kategorien, verstehen Sie?" Und schließlich ist "Orientierung im Gelände" - produziert zu Beginn der 80er Jahre - ein Hörspiel über die bundesrepublikanische Gesellschaft und Geisteshaltung der 70er Jahre. Es fragt, was aus den Utopien der 60er Jahre geworden ist und wer sie auf dem Gewissen hat. Die Antworten fallen für keine Seite sehr schmeichelhaft aus.
Die Produktion des Hörspiels "Orientierung im Gelände" war ein Experiment. Um die geforderte sprachliche Nähe zu unserer politischen Wirklichkeit zu erzielen, wurde das Hörspiel nicht im Studio, sondern durchweg an Originalschauplätzen aufgenommen. An der Produktion war kein Schauspieler beteiligt, sondern Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben, die den Text um die Dimension ihrer persönlichen und berfuflichen Erfahrungen improvisatorisch erweiterten. Das formale Ziel war der Versuch einer Synthese zwischen dem Dokumentarismus der Originaltonhörspiele und dem Kunstgehalt der traditionellen Handlungshörspile, und das Ergebnis ist dem vergleichbar, was die zeitgenössische Malerei unter dem Begriff "photographischer Realismus" vorstellt.
Jörn Kraft wurde 1941 in Aachen geboren, studierte drei Semester Germanistik in Köln, brach das Studium ab und absolvierte ein Praktikum in einer Großdruckerei. Danach machte er eine Ausbildung als Gebrauchsgrafiker. Seit 1967 ist er in der Industrie tätig, zur Zeit in der Werbeabteilung eines Maschinenbau-Konzerns. Jörn Kraft veröffentlicht seit 1971 vor alle, zeitkritische Aufsätze und Untersuchungen in Zeitschriften und im Rundfunk, mit Schwerpunkt Wirtschaft, Werbung, Kommunikationswesen. 1972 brachte der RIAS seine satirische Funkerzählung "Feuer frei" und 1977 sein erstes Hörspiel "... Ich verbinde mit Herrn Direktor Engelhardt". Wie sein erstes Hörspiel so ist auch sein neues Stück "Orientierung im Gelände" eine präzise abgelauschte Sprach- und Verhaltensstudie von "Führungskräften".
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