ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Lasset die Kindlein
Komposition: Sabine Worthmann
Regie: Christiane Ohaus
Ein fiktiver Fall - einer von jenen Fällen, wie sie in Deutschland seit Jahren immer häufiger öffentlich werden. Eine Frau, im Text Vera S. genannt, hat ein Dutzend Kinder geboren. Neun von ihnen hat sie kurz nach der Geburt sterben lassen. Nach Entdeckung, Prozess und Verurteilung bleibt eine große Ratlosigkeit hinsichtlich ihrer Motive zurück. Wie war es möglich, dass Vera S. über viele Jahre, unbemerkt von ihrem Mann, ihrem Freundes- und Bekanntenkreis, unbemerkt auch von den Nachbarn, mitten in der Gesellschaft mehrere Kinder zur Welt bringt und diese anschließend wieder verschwinden lassen kann? In Thomas Martins Hörspiel spricht die auf sich allein zurückgeworfene Mutterfigur aus verschiedenen Perspektiven. Das Geschrei der Medien wechselt mit Gerichtsszenen, Kindheitserinnerungen gehen in Märchenmotive über, Zeit- und Wahrnehmungsebenen verschieben sich zu einem immer neuen Fluchtpunkt. Die Gefängniszelle wird zum Transitraum, in dem die Umstände der wiederholten Taten rekonstruiert werden.
Thomas, Martin, geboren 1963 in Ost-Berlin, ist Dramatiker, Lyriker, Publizist und Regisseur. Er arbeitete als Regieassistent, Dramaturg und Autor am Deutschen Theater Berlin mit Heiner Müller und Frank Castorf zusammen. In Venedig (1992-1994) inszenierte er mit der von ihm gegründeten freien Theatergruppe "Teatro Furioso" u.a. Brecht, Shakespeare und Maeterlinck. 2003 und 2006 leitete Martin die Internationalen Brecht-Tage im Literaturforum Berlin. Er lebt als freier Autor in Berlin.