ARD-Hörspieldatenbank

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Originalhörspiel



Maria Clara Keller

Das große Los

Ein Kasperlstück



Regie: Hans Peter Schmiedel

Kasperl kommt wieder vors Mikrofon, und das ist nur recht und billig. Alle berühmten Leute kommen mit der Zeit vors Mikrofon, ob sie wollen oder nicht. Und wer ist wohl berühmter als Kasperl? Vielleicht gibt es in Deustchland noch ein paar Jungens und Mädels, die nicht einmal wissen, wer Schmeling und Lindbergh ist; aber den Kasperl kennen ganz gewiss alle. Nun ist es ja recht schade, dass wir den Kasperl vorm Mikrofon nicht sehen können. Aber schließlich: wer sieht denn den Kasperl richtig im Kasperle-Theater? Nur die paar, die ganz vorn sitzen. Und die anderen können oft nicht einmal alles verstehen, was der Kasperl sagt; und die Prügel, die der Teufel kriegt, klingen auch viel zu leise, wenn man so weit weg ist. Da haben wir's besser, wir Rundfunkhörer. Wir haben alle gute Plätze. Kinder, wie der Kasperl diesmal den Teufel durchwalken wird, das braucht ihr bloß zu hören. Dann merkt ihr gleich: der Kasperl lässt sich nichts gefallen von einem, der gar zu frech wird; mags auch der Teufel selber sein. Dabei ist der Kasperl im Grunde ein recht guter Kerl, wie ihr wisst. So muss man eben sein im Leben: gut gegen die, die es gut mit einem meinen, und von den anderen sich nichts gefallen lassen. Freilich: in allen Dingen dürft ihr euch den Kasperl nicht zum Vorbild nehmen. Er ist zwar schlau und gescheit, aber zum Beispiel für das Lernen und für die Wissenschaft hat er gar nichts übrig. Es ist leider sehr wahrscheinlich, dass der Kasperl sich keinen italienischen Unterricht anhört und keinen wissenschaftlichen Vortrag und keinen Pressebericht, sondern immer nur Tanzmusik - wenn er überhaupt Rundfunkteilnehmer ist. Er wird das aber wohl erst dann werden wollen, wenn die Technik endlich bereit ist, dass man Bier und Bratwürste drahtlos senden kann. Er kommt manchmal in einen schlimmen Schlamassel hinein, der Kasperl, bloß weil er nichts gelernt hat und nichts lernen will und dabei doch so neugierig ist. Da hat er zum Beispiel mit einem Astronomen Freundschaft geschlossen; der bringt ihm sein schönes, großes Fernrohr mit und erlaubt ihm durchzuschauen. Das ist doch gewiss sehr nett von dem Astronomen. Aber was tut der Kasperl? Anstatt eifrig in den Mond zu gucken und die Ringberge zu zählen, richtet er das Rohr hinunter nach der Hölle zu. Das ärgert aber natürlich den Oberteufel ganz gewaltig, dass da einer in seiner Hölle rumspioniert und auch noch freche Bemerkungen über die Teufels-Großmutter macht. Na, ihr werdet ja hören, was der Teufel dann tut und was der Kasperl mit ihm anstellt. - Übrigens, damit ihr euch nicht etwa beunruhigt: der Kasperl wird natürlich auch diesmal mit dem Teufel fertig. In dem schönen Stück vom großen Los zum Beispiel rettet ihn seine Schlauheit. Denn irgendwie kommt ja der Kasperl schließlich immer durch, obgleich er nichts gelernt hat. Aber so wie der Kasperl kann das eben nicht jeder. (Bi-Ba-Bo: Die Mirag. 6. Jahrgang. Heft 28. 13. Juli 1929. S. 9)

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Hörspiel historisch (vor 1933) - © DRA/Hanni Forrer


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

MIRAG - Mitteldeutsche Rundfunk AG (Leipzig) 1929

Für die Jugend

Erstsendung: 17.07.1929


Livesendung ohne Aufzeichnung


Grundlage der Datenerhebung: Nachlass Karl Block (Hörspiele); Der Deutsche Rundfunk (Programmzeitschrift); Die Mirag (Programmzeitschrift)


Darstellung: