ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Vogelzug
Komposition: Martina Eisenreich
Dramaturgie: Manfred Hess
Regie: Bernadette Sonnenbichler
Eine psychiatrische Einrichtung: Sie hängt in der kalten Schwebe zwischen einer Anstalt mit von gekachelten Bädern widerhallenden Geräuschen und einem modernen Gehäuse, das eine infantile Scheinwohligkeit vortäuscht und in dem alle Betreuer fröhlich wie zu Kindern reden. Zwitschernde, kreischende und wie Menschen sprechende Vögel sind gelegentliche Begleiter der Patienten. Zeigen sie sich, gelingt es den Patienten, von ihrem Irr-Sinn abzulassen. In diesen Momenten sind sie von einem starken freiheitlichen Sehnen erfüllt, das keineswegs verrückt ist. Das Gebrabbel, das Sprechen und die Gesänge der Patienten vereinigen sich dann unerwartet wider ihre eigensüchtigen Zwänge zu einem gemeinschaftlichen Chor, der jedoch immer wieder rasch auseinanderfallen kann. Ihm steht, natürlich, die Welt der Pflegekräfte und Ärzte gegenüber. Sie leben in einer vernunftorientierten und deshalb ungleich besser gemeinschaftlich zu organisierenden Wirklichkeit, der aber vielleicht die Sprengkraft der Poesie fehlt. Sibylle Lewitscharoff erzählt von der Sehnsucht der Patienten nach einer anderen, befreiten Welt, die aber nichts mit der aus »Einer flog über das Kuckucksnest« gemeinsam hat. Diese Welt zeigt sich einfach, um dann sogleich wieder zu verglühen.
Sibylle Lewitscharoff, geboren in Stuttgart, lebt als Schriftstellerin in Berlin. Für ihre Romane (zuletzt »Blumenberg«, 2011, und »Killmousky«, 2014) und Essays erhielt sie zahlreiche bedeutende Literaturauszeichnungen, zuletzt 2013 den Georg Büchner-Preis. Gelegentlich schreibt sie Hörspiele.