ARD-Hörspieldatenbank

Originalhörspiel, Ars acustica



Christoph Korn, Lasse-Marc Riek

series invisible

Hörstück und Web-Installation von Christoph Korn und Lasse-Marc Riek


Komposition: Christoph Korn, Lasse-Marc Riek

Redaktion: Manfred Hess

Dramaturgie: Manfred Hess

Technische Realisierung: Christian Eickhoff, Tanja Hiesch


Regie: Christoph Korn, Lasse-Marc Riek

„Das Hörstück “series invisible” basiert auf dem gleichnamigen Text –und Audioprojekt, das Christoph Korn und Lasse-Marc Riek seit 2004 kontinuierlich entwickeln und fortschreiben. (siehe: http://www.series-invisible.de)

“series invisible” ist eine Sammlung sogenannter Löschnotate. Spezifische Orte und ihr Klang werden hier mittels Audio Rekorder aufgezeichnet. Zu einem späteren Zeitpunkt werden diese field recordings wieder gelöscht. Dieser Vorgang wird notiert und in Form von »Schrift« festgehalten. So entsteht eine Serie von Notaten, die die Autoren „Löschnotate“ nennen. Die Auswahl der Orte ist rein subjektiv und an die konkreten und unterschiedlichen Lebenswege der beiden Autoren geknüpft. Manche der Notate sind mit kurzen, sprachlich gefassten Klangbeschreibungen versehen. Die Notate erinnern mitunter geschichtlich aufgeladenen Orte (In Europa, Amerika, Israel, Palästina ...), ebenso wie sie Zeugnis geben von privaten oder früher als minoritär erachteten Örtlichkeiten wie Ereignissen und ihrem ehemaligen Klang.

Mehrere Hundert solcher Löschnotate sind seit dem Beginn 2004 bis heute von Korn und Riek erstellt worden. Die in ihrer Textform stummen Notate bezeugen die Existenz des jeweiligen Ortes; ebenso wie Sie in ihrer zeitlichen Abfolge Abdrücke zweier konkreter Leben zeichnen.

Das Hörstück:

Für das Hörstück wurden alle Löschnotate ab 2004 bis zur Fertigstellung des Stückes 2023 einzeln und chronologisch gelesen. Im Wechsel von einer männlichen und eine weiblichen Stimme.

In ihrer ruhigen Abfolge ergibt sich ein Klangbild des „Eingedenkens“. Keine fortlaufende Geschichte wird erzählt. Vielmehr ersteht eine Struktur aus Orten, Zeitpunkten, Dauern. Im abstrakten Textraum entdeckt der beharrlich Hörende Reste von Klang, Residuen physischer Kraft, Wiederholungen über die Jahre hinweg immer wieder aufgesuchter Orte, stummes, sprechendes, Lebenslinien durch die Zeit, Aufnahmen, Abbrüche ...

Der Grundduktus des Hörstücks vergegenwärtigt die Würdigung des je konkreten Ortes, die an ihn gebundene Lebenszeit, wie auch sein einst gewesener Klang, der nurmehr bezeugt werden kann. (Korn / Riek im März 2023)

Die Tradition der Concept Art eines On Kawara aufgreifend, arbeitet „Series invisible“ mit unsichtbar gemachten Orten und dem Potenzial Ihrer privaten wie politischen Geschichte. Der Klangkünstler Lasse-Marc Riek und der im Bereich der Multi Media arbeitende bildende Künstler Christoph Korn versuchen, diese in der Zeit entschwundenen Orte auf magisch-akustische Weise herbeizubeschwören. Über 3 ½ Stunden. Ohne einen klassische Erzählstruktur zu nutzen, ohne Plot Points oder spannungsdramaturgische Bögen. Inkommensurable durch die Länge, mit einer Ästhetik der vom Hörer oder der Hörerin geschaffenen Höhepunkte. Rhythmus, Schlichtheit und Reduktion erzeugen hier Diversität.

Das Stück bietet die Chance einer Meditation über das Leben und die Geschichte. Eine Yogastunde ist es nicht, aber hier könnte der Kopf vom Alltagsballast zu leeren sein und sich der eigenen Fantasie überlassen. Über die Angebote, die das Stück benennt, ausspricht, evoziert. Von 2004 bis 2023 haben Korn und Riek den Klang von Orten mit dem Aufnahmegerät aufgezeichnet und dabei zahlreiche so genannte Field Recordings hergestellt. Diese Field Recordings hängen mal mit den eigenen Lebensumständen der Künstler zusammen, mal sind sie von öffentlichem Interesse. (z.B. in der Reihung folgt auf das Grab Bertolt Brechts der Karneval in Düsseldorf, auf Adornos Institut für Sozialforschung das Grab von Vater Korn, darauf folgen Seeschwalben auf Rügen oder der Bahnhof Bad Kleinen oder die Straße, wo Benno Ohnesorg starb; auf Helgoland folgt Theresienstadt oder Nazareth oder eine Privatwohnung in Porto oder das Amt für Abschiebung etc.). Die Orte liegen in Europa, Afrika und Amerika. Diese Audiofiles wurden für das Web- und Audioprojekt „Series invisible“ zuerst hintereinander montiert – anschließend wurden diese Files gelöscht. Anstelle der Audios stehen im Internet als Schrift, schwarz auf weiß geschrieben, nur die Angaben des Ortes der Aufnahme, deren Dauer und die Zeitpunkte von Aufnahme und Löschung.

Im Hörspiel ersetzt der Klang der Stimme die stumme Schrift. Eine weibliche und eine männliche Stimme lesen die Angaben. Leben und Vergehen sowie Erinnerung, Vergegenwärtigung und Vergessen umspielt dieses künstlerische Verfahren der kommentarlosen Reihung. Die Sendeplätze des Hörspiels verstehen sich nicht nur als Türen, die sich öffnen, um Geschichten unterhaltsam, lehrreich, politisch und auch mal ästhetisch anspruchsvoll zu erzählen. Das Hörspiel ist ein Sendeplatz, der Raum bietet ebenso für akustische Kunstwerke, die sich dem klassischen Erzählen und der Unterhaltung verweigern. Sie öffnen die Türen für andere Erfahrungen. Musik, Geräusch, Pausen als Stille oder Wörter jenseits des schnell erhaschten Sinns sind das Angebot. Und Hörer können diese Leerstellen mit ihrem eigenen Sinn füllen. Das ist zumindest ein Anliegen des gut 3 1/2stündigen Werkes. 

Produktion: SWR 2023, gefördert vom Kunstfond NEUSTART KULTUR

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Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Caroline Junghansweibl. Stimme
Ole Lagerpuschmännl. Stimme


 

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Südwestrundfunk 2023

Erstsendung: 24.03.2023 | SWR2 | 23:03 Uhr | 206'20

Darstellung: