Hörspiel
Autor/Autorin:
Jürgen Becker
Eigentlich bin ich stumm
Komposition: Peter Zwetkoff
Technische Realisierung: Friedrich Wilhelm Häfner, Maria Mehrländer
Regie: Arturo Möller
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Marlen Diekhoff Agnes Heta Mantscheff Sophie Jörg Hube Bruno Eric Schildkraut Kroll Maria Krasna Frau Wascha Nina Hoger Martina Martin Semmelrogge Tommy Michael Thomas Heiner Sabine Postel Mia Heinz Meier Lättchen Renate Grosser Frl. Heyermann Dierk Hardebeck Militärstreife Hans Kremer Polizeistreife Sabine Buchholz Agnes als Kind Katja Wittig Sophie als Kind Jan Mehrländer Heiner als Kind
Agnes, meistens am Fenster sitzend und fotografierend, käpft mit Schreiben und schnellen Polaroidbildern gegen das Vergessen an. "Ich nehme die Spur auf", sagt sie, "bewege mich hinter den Dingen her, im Bereich des Verschwindens." Die Aufzeichnungen über ihr Leben im Dorf, wohin sie nach langjähriger Abwesenheit zurückgekehrt ist, sind an ihren Mann gerichtet, der sie verlassen hat und wieder in die Stadt gegangen ist. Noch in der Rolle der Wartenden verhaftet, betätigt sie sich bereits als Sammlerin, Entdeckerin und Archivarin von alten und neuen Geschichten, Menschen und Beziehungen. Das Blättern in Fotoalben, der Blick durch das Fenster, Besuche von Bekannten lassen Schlüsselszenen aus ihrer Kindheit wieder auferstehen. Sie sieht, wie sich die Hexengeschichten als Verteufelungen von Fremden und Dämonisierung des Unbekannten in der Gegenwart fortschreiben, wie wenig verändert die menschlichen Beziehungen sind. Jürgen Becker entwirft in seinem neuen Hörspiel das dichte Portrait eines deutschen Dorfes und einer Frau, die ihre Identität nur aus der Konfrontation mit diesem Dorf beziehen kann. Doch er zeigt Agnes nicht nur als neugierige Beobachterin und poetische Ethnologin des Dorflebens, sondern ebenso als dessen Gefangene. Denn es ist auch ein Hörspiel über die Abhängigkeit aller voreinander. In kurzen Sszenen und knappen Charakterisierungen, in denen viele soziale und psychologische Motive zusammengefügt sind, erhellt es den Zusammenhang von Umwelt, Erziehung, Psyche, Fremdbestimmung und Rollensucht und macht vor allem die enge Verbindung von Kindheit und Heimat, Geschichten und Geschichte deutlich. Jürgen Becker schrieb neben Prosa Gedichtbände wie "Schnee" (1971), "Das Ende der Landschaftsmalerei" (1974), "Erzähl mir nichts vom Krieg" (1974). Becker ist einer der Exponenten des Neuen Hörspiels: u. a. "Bilder", "Häuser", "Hausfreunde" (1969). Als letztes Hörspiel sendete der WDR: "Im August ein See". Becker wurde 1980 mit dem Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste ausgezeichnet. 1981 erhielt er den Kritikerpreis. Im selben Jahr erschienen sein Prosaband "Erzählen bis Ostende" und "Gedichte 1965-1980".
Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk 1982
- Erstsendung: 02.12.1982 | 100'30
Auszeichnungen
- Hörspiel des Monats Dezember 1982