Foto: DRA/Hanni Forrer
Foto: DRA/Hanni Forrer
In dieser Kollektion finden Sie Einträge zu Ursendungen von Hör- und Sendespielen zwischen 1924 und 1930; die Jahrgänge 1930 bis 1933 sind im Aufbau. Dokumentiert sind derzeit rund 5.000 Produktionen der einzelnen Sendegesellschaften. Neben Form- und Inhaltsdaten bieten wir in Auswahl historische Rezensionen und Manuskripte aus dem Bestand des Deutschen Rundfunkarchivs.
Zum Literaturprogramm des kulturell ambitionierten Rundfunks der Weimarer Republik gehörten neben Rezitationen und Autorenlesungen ab 1924 in zunehmendem Maße auch Theaterstücke. Diese wurden – in voller Länge, gekürzt oder in einzelnen Szenenfolgen, eigenständig, in Zyklen gestellt oder in einen programmatischen Zusammenhang eingebettet – vornehmlich im Abendprogramm der Sendegesellschaften ausgestrahlt. Oft arbeiteten Rundfunk und Theater dafür zusammen. So wirkten neben Rundfunksprecherinnen und Rundfunksprechern wiederholt auch namhafte Bühnenschauspielerinnen und -schauspieler sowie -regisseurinnen und -regisseure mit. Inhaltlich lag der Schwerpunkt auf Unterhaltendem. Formal-ästhetisch blieben die Sendespiele weitgehend klassischer Dramaturgie verpflichtet, was bereits seinerzeit Kritik erregte.
Die funkadäquate Inszenierung der Dramenliteratur wurde »Sendespiel« genannt. Aus der Schwierigkeit, für das Radio geeignete Vorlagen zu finden, entstand bei den Programmverantwortlichen der Wunsch nach einer rundfunkeigenen akustischen Kunstform. Das Hörspiel, in der Theorie ab 1924 in den Rundfunkzeitschriften lebhaft diskutiert, wurde in der Praxis aus Mangel an geeigneten Autorinnen und Autoren zunächst nur von Rundfunkmitarbeiterinnen und -mitarbeitern selbst entwickelt.
Mit Preisausschreiben der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, dem ab 1926 tätigen organisatorischen Dachverband der Sendegesellschaften, mit verbesserten Honorarzahlungen an die Verfasserinnen und Verfasser, zu denen sich bekannte freie Schriftstellerinnen und Schriftsteller nur sehr zögernd gesellten, und durch Vergabe von Aufträgen wurde versucht, die Hörspielproduktion zu fördern.
Nach anfänglicher Dominanz des Sendespiels in den Programmen gewann das Hörspiel schließlich ab 1928 an Bedeutung und erlebte 1929 bei regional differenzierter Ausprägung eine Blütezeit. Sende- und Hörspiel nutzten zunehmend die technischen Möglichkeiten des Mediums und entfalteten sie zu künstlerischer Wirkung, von der Überblendtechnik bis hin zu Schnitt und Montage, wie sie ab 1929 durch Aufzeichnungstechniken realisierbar wurden. Zuvor wurden alle Sende- und Hörspiele live gesendet und nicht aufgezeichnet.
Das Hörspiel der Weimarer Republik war literarisch-ästhetisch anspruchsvoll, inhaltlich belehrend oder belanglos unterhaltend. Unterschiedlichste Formen wurden geprägt, von der Revue über das Lehr- hin zum Volksstück. Es gab Hörspiele mit aktuellem zeitlichen Bezug und reportagehafte Dramen. Zensur verhinderte allerdings weitgehende politische Bezüge. Frühe Experimente einer rein akustischen Kunst blieben die Ausnahme.
Hans Fleschs radiophone Selbstreflexion »Zauberei auf dem Sender« (Ursendung bei der SÜWRAG am 24. Oktober 1924) gilt heute als das erste Originalhörspiel der deutschen Rundfunkgeschichte, das Kriegshörspiel »Brigade-Vermittlung« von Ernst Johannsen (Ursendung bei der Deutschen Stunde in Bayern am 17. Oktober 1929) als das erfolgreichste der Weimarer Zeit. Friedrich Wolfs Polardrama »S.O.S. ... Rao Rao ... Foyn. Krassin rettet Italia« (Ursendung beim Deutschlandsender am 5. November 1929) ist das erste vollständig auf Tonträger erhaltene Hörspiel überhaupt und ist in der ARD Audiothek verfügbar.
Ulrike Schlieper-Müller
In der Datenbank sind Nachweise zu Hör- und Sendespielen dokumentiert, zunächst für die Jahre 1924 bis 1930, die als experimentelle Vorstufe der Gattung gelten. Das Hörspiel löste das Sendespiel nicht einfach im Programm der Sendegesellschaften ab. Beide Gattungen existierten nebeneinander. Bis heute sind Bearbeitungen literarischer (nicht nur dramatischer, sondern auch epischer und lyrischer, selbst filmischer) Vorlagen unter dem Begriff »Hörspielbearbeitung« fester Bestandteil der Hörfunkprogramme.
Bei der Adaption von Bühnenliteratur für den Rundfunk wurden in der Weimarer Republik technisch formale Kriterien entwickelt, die der Hörspielentwicklung wichtige Impulse gaben. Die Bearbeitungen der Theatervorlagen reichten dabei von kaum modifizierten Lesungen mit verteilten Rollen bis hin zu freien, hörspielartigen Inszenierungen. Es ist daher wichtig, in einer Datenbank zur Dokumentation der historischen Entwicklung des Hörspiels diese Funkgattung mit zu berücksichtigen, zumal die Begriffe »Sendespiel« und »Hörspiel« seinerzeit oftmals synonym gebraucht wurden.
Aufgenommen wurden auch, sofern in den Quellen hinreichend dokumentiert, Hörbilder (dokumentarische Kurzszenen, Frühformen des Features), die ebenfalls eine Inspiration für die Entwicklung des Hörspiels bildeten.
Die wichtigste Quelle für die Erfassung der Hör- und Sendespiele in der Datenbank ist der schriftliche Nachlass von Karl Block, der Mitarbeiter bei verschiedenen Sendegesellschaften war. In separaten Listen hat er Anfang der 1930er Jahre Sendedaten von Sende- und Hörspielen aufgeführt. Daneben wurden auch andere Quellen genutzt, zum Beispiel der Fünf-Jahres-Rückblick auf die Berliner Funkstunde von Kurt Pinthus aus dem Jahr 1928 sowie die historischen Programmzeitschriften, allen voran »Der Deutsche Rundfunk«. Sie finden die Angabe der jeweils genutzten Quelle am Ende des einzelnen Hörspielnachweises.
Aus den reinen Programmankündigungen in den Rundfunkzeitschriften ist oftmals nicht zu entnehmen, ob es sich bei einer Theatersendung um eine reine Rezitation oder ein Spiel vor dem Mikrofon handelte. Auch sind nicht alle hörspielartigen Experimente erkennbar, was punktuell zu einer gewissen Unschärfe in der Dokumentation führen kann. Auch sind noch einige Lücken zu schließen.
Zu berücksichtigen ist außerdem, dass manches im Programmteil angekündigte Sende- oder Hörspiel aus technischen oder anderen Gründen doch nicht zur Ausstrahlung kam (Hinweise auf derartige Korrekturen im Programmablauf gibt es gelegentlich, ob in jedem Fall, ist allerdings ungewiss).
Manchmal ist umgekehrt eine Rezension, z. B. in der Programmzeitschrift »Der Deutsche Rundfunk« der einzige Hinweis auf die Ausstrahlung eines Stückes. Es lässt sich dann im Programmteil kein Sendedatum ausfindig machen.
Die vielfältigen, inhaltlich oft nicht differenzierten Gattungsbezeichnungen in den historischen Programmzeitschriften, von »Funkspiel« über »Funkdrama« bis hin zu »Sendespiel« und »Hörspiel«, finden Sie in der Regel im jeweiligen Untertitel oder bei der Angabe des Sendeplatzes. Die heute üblichen Begriffe stehen auf der Recherchemaske in der Dropbox zur Auswahl und sind in der Vollanzeige unter dem jeweiligen Inhaltsblock aufgelistet.
Sendespiele konnten, besonders in den ersten Jahren, oft mehrere Stunden dauern. Beliebter, da publikumswirksamer, waren kürzere Stücke, z. B. die Adaption von Einaktern oder bloß einzelner Szenen. Die Dauer einer Aufführung lässt sich im Regelfall aus den Programmankündigungen nicht eindeutig entnehmen. Auf die Angabe wurde daher generell verzichtet.
Bis Ende Mai 1929 stand keine Aufzeichnungstechnik zur Verfügung, so dass Tonaufnahmen aus der Frühzeit des Radios nicht überliefert sind. Daher finden Sie den Hinweis »Live ohne Aufzeichnung«.
Fehlen in der Datenbank Angaben beispielsweise zu Sprechern oder anderen Beteiligten, so ist davon auszugehen, dass geeignete Quellen nicht verfügbar waren oder keine entsprechenden Hinweise enthielten.
Aus denselben Gründen finden Sie nur selten Inhaltsangaben.
Bei der Erfassung der Daten wurde die historische Schreibweise von Titeln in den Programmankündigungen größtenteils übernommen. Schreibvarianten von Sprechernamen sind jedoch angeglichen worden, um Recherchen zu erleichtern.
Gelegentlich wurden orthographische Verbesserungen vorgenommen. Die Titel literarischer Vorlagen und ihrer Gattungsbezeichnungen sind ergänzt oder im Einzelfall auch korrigiert worden.
Ergänzend zu den Nachweisen finden Sie in Auswahl Exzerpte bzw. Zitate aus zeitgenössischen Rezensionen. Sie vermögen einen Eindruck von den Kriterien der damaligen Funkkritik, nicht zuletzt von der Suche nach der funkgeeigneten akustischen Kunstform und ihren Bedingungen zu geben.
Ulrike Schlieper-Müller
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