Hörspiel
Autor/Autorin:
Heinz von Cramer
Lacenaire oder Die Schurkenehre
Komposition: Heinz von Cramer
Technische Realisierung: Irene Thielmann, Koch, Gerda, Gerda Koch
Regieassistenz: Alexander Schuhmacher
Regie: Heinz von Cramer
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Siemen Rühaak Delinquent Karl Renar Gefängnisbeamter/Beamter Andreas Neumann Handelsreisender Horst Raspe Baton Thomas Lang Häftling, der ein Lied singt Tillmann Braun Assistent Paul Bürks Winkeladvokat Jan Groth Bettler Hans Bergmann Herr Hubertus Gertzen Genevay Gernot Duda Richter/Wärter/Soldat Hans Pießbergen Gerichtsdiener/Wärter/Soldat Michael Habeck Mediziner Lukas Ammann Professor Hans Wyprächtiger Pater Martin Elisabeth Endriss Javotte Hans-Werner Meyer Avril Moritz Stoepel Republikaner Michael Tietz Lakai/Feldwebel/Mann/Geschworener Ulrich Matthes Grünschnabel Margrit Carls Madame Dormeuil Kyra Mladek Dame Hubertus Gertzen Genevay Sissy Höfferer Frauenstimme Jan Eberwein Männerstimme, Vater Florian Beba Knabenstimme, Bruder Otto Götz Bursche, Stimme im Gerichtssaal Kristian Koncilio dito Volker Schmidt Bursche, Stimme im Gerichtssaal Erika Wackernagel Bursche, Stimme im Gerichtssaal Gabriele Litty Bursche, Stimme im Gerichtssaal Angelika Kraml Bu rsche, Stimme im Gerichtssaal Sascha Böhm Häftling Michael Lieb Häftling Stefan Weckmann Häftling
Pierre François Lacenaire, der in der ersten Hälfte des vorigen Jh. lebte und im Januar 1836 hingerichtet wurde, zählte zu den letzten aus der anrüchigen Sippe der schreibenden Spitzbuben und war ein zugegebenermaßen etwas schwächlicher Urenkel des großen und wilden François Villon. Dennoch hatten und haben die Gedichte von L., meist im Kerker verfaßt, und vor allem auch seine Memoiren, die er kurz vor seiner Hinrichtung schrieb, in Frankreich einen beträchtlichen Stellenwert; L. beeinflußte Baudelaire, Rimbaud, André Breton und die Surrealisten. Zweifellos sind Lacenaires Lebenserinnerungen, um die es in diesem Hörspiel geht, auf den ersten Blick ein Dokument selbstgerechter und arroganter Grausamkeit, die den Mord für eine elitäre Mutprobe ausgeben will und Kriminalität als Waffe gegen die Gesellschaft, wobei er bitterernst argumentiert und nicht eine Spur aggressive Ironie aufweist. Es ist dem vielfachen Raubmörder L. jedoch etwas gelungen, wovon viele Autoren nur träumen: sich selber dermaßen hochzustilisieren, daß die eigene Person jedes Interesse verliert und hinter der Wirklichkeit der Kunstfigur L. völlig verschwindet. Der Unmensch L. steht in diesem Buch einer Welt potentieller Unmenschen gegenüber, die ihn mitleidlos wissenschaftlich zu erforschen versuchen und meinen, sie könnten seine verbrecherischen Anlagen und Instinkte aus den Beulen und Verformungen seines Schädels ableiten (es war die Epoche der Gall''schen Schädellehre). Er wird zum wehr- und willenlosen Versuchsobjekt für die abstrusesten Theorien erniedrigt. Schließlich fragt man sich, wer die eigentlichen Ungeheuer sind - der Mörder, oder diejenigen, die ihn verwerten, klassifizieren und endlich mit Zuckerbrot und Peitsche auch noch bekehren wollen. Wo liegt da der wahre Terror? In diesem Sinn ist der Text durchaus ein Akt der Revolte.

Produktions- und Sendedaten
- Bayerischer Rundfunk 1990
- Erstsendung: 24.02.1991 | 109''55